In letzter Zeit ist eine neue Art der Sportnahrungsergänzung bei Kraftsportlern sehr beliebt geworden. Wer ernsthaft und gesund Leistungssteigerungen erreichen will, sollte jedoch mehr auf eine richtige Ernährung achten, anstatt sich auf teure Zusatzpräparate zu verlassen.
Einer meiner Kollegen ist Sporternährungsberater. Er sagte einmal zu mir, es gebe „Lügen, verdammte Lügen und Sportnahrungsergänzungsmittel“. Dies ist eine ziemlich harsche Kritik, wenn man bedenkt, dass Nahrungsergänzungsmittel wie Kohlenhydratgetränke, Kreatin und Koffein eine nachweislich leistungssteigernde Wirkung haben. Was aber meint die Wissenschaft zu Präparaten, mit denen Sportler ihre Stickstoffmonoxid-Produktion steigern können? Und halten die überhaupt, was sie versprechen? Tatsächlich ist die wissenschaftliche Evidenz für viele der heute angebotenen Nahrungsergänzungsmittel entweder wenig zuverlässig, völlig theoretisch oder in vielen Fällen nicht einmal vorhanden!
Was ist Stickstoffmonoxid?
Noch bis vor kurzem war das farblose Gas Stickstoffmonoxid (NO) eine relativ wenig bekannte Substanz. Die Umweltwissenschaftler hingegen kannten NO-Emissionen bereits von den Autoabgasen. Als Luftschadstoff und Vorläufersubstanz für fotochemischen Smog kann die Einatmung von NO, insbesondere bei Asthmatikern, stark reizauslösend wirken. NO findet man zuweilen auch im Chemielabor. Dort kommt es bei einer Reihe exotischer Reaktionen zum Einsatz.
In den späten 1970er-Jahren machten Forscher eine wichtige Entdeckung, als sie die Mechanismen der Gefäßerweiterung des Anginamittels Nitroglyzerin untersuchten und dabei feststellten, dass das Mittel im Körper zu Stickstoffmonoxid umgewandelt wurde und hier eine starke gefäßerweiternde Wirkung hatte. Diese Erkenntnis löste eine Flut neuer Untersuchungen über das NO aus. Der richtig große Durchbruch kam jedoch erst Ende der 80er-Jahre. Damals entdeckte man nicht nur, dass der Körper sein eigenes NO herstellt, sondern auch, dass dieses NO ein wichtiger Neurotransmitter ist – ein chemischer Botenstoff, der den Körperzellen signalisiert, wie sie sich verhalten sollen.(1) Die Entdeckung von NO als Neurotransmitter für das Schwellgewebe war der Grundstein für die Entwicklung von Viagra.
Wie wir wissen, ist das Stickstoffmonoxid nicht nur ein wichtiger Neurotransmitter, sondern das am weitesten verbreitete Signalmolekül im menschlichen Körper. Es ist an der Kontrolle zahlreicher Prozesse im menschlichen Körper beteiligt, so u. a. an der Signalübertragung der Nerven, der Immunfunktion, dem Gewebeumbau und der Erweiterung der Blutgefäße (s. nächster Abschnitt). Das Stickstoffmonoxid ist insbesondere ein essenzielles Botenmolekül, das auf verschiedene Endotheline im Kreislaufsystem einwirkt (z. B. Blutgefäße und Kapillare) und für eine „Entspannung“ sorgt. Während sie sich entspannen oder weiten, öffnen sie sich, so dass der Blutfluss verstärkt wird.
Die Funktion von NO im Körper
Das NO übernimmt im menschlichen Körper verschiedene biologische Funktionen: Das Stickstoffmonoxid wird vom Endothel (Innenwand) der Blutgefäße als Signalgeber genutzt, der den umliegenden glatten Muskelzellen vermittelt, sich zu entspannen. Infolgedessen erweitern sich die Blutgefäße, und der Blutfluss steigt. Das Stickstoffmonoxid wird auch bei Immunreaktionen produziert, und zwar über Immunzellen, die so genannten Phagozyten (Monozyten, Makrophagen und Neutrophile). Zudem hat es eine toxische Wirkung für Bakterien und andere menschliche Krankheitserreger.
Stickstoffmonoxid ist sehr reaktiv und breitet sich durch Membranen leicht aus. Seine Lebensdauer beträgt jedoch nur wenige Sekunden. Diese Kombination verschiedener Eigenschaften macht es zu einem idealen Signalmolekül zwischen den umliegenden Zellen und auch innerhalb einer einzelnen Zelle. Da Stickstoffmonoxid in der Lage ist, mit schwefelhaltigen Rückständen in bestimmten Proteinen zu reagieren (über die so genannte „Nitrosation“), spielt es auch bei der Regulierung der Proteinstruktur eine wichtige Rolle. Weitere Untersuchungen über den Stickstoffstoffwechsel werden mit ziemlicher Sicherheit noch andere biologische Überraschungen im Zusammenhang mit diesem bemerkenswerten Molekül bringen.
Die gewünschten Vorteile
Theoretisch betrachtet ist jede Nahrungsergänzung, die eine Verstärkung des Gewebeaufbaus und der Gefäßerweiterung bewirkt, für Sportler eine gute Sache. Alle Nährstoffe, die das Wachstum und die Reparatur des Muskelgewebes fördern, werden mittels kleiner Kapillargefäße über den Kreislauf im Körper transportiert. Auf diesem Weg werden auch Abfallprodukte, z. B. das Blutlaktat, beseitigt. Die Stimulation der Vasodilation (Erweiterung der Blutgefäße) verbessert den Blutfluss zu den arbeitenden Muskeln. Dadurch arbeitet nicht nur die Muskelpumpe während des Trainings effektiver, sondern es kommt theoretisch auch zu einer besseren Nährstoffzufuhr. Diese Vorteile, die sich durch die Vasodilation ergeben, sind auch eine Erklärung dafür, dass Mittel zur Steigerung der NO-Produktion (NO-Booster) derzeit so beliebt sind.
Wenn wir davon ausgehen, dass eine Stimulation der NO-Produktion im menschlichen Körper etwas Positives ist, so könnte man fragen, ob es nicht auch möglich sei, die NO-Produktion im Körper mit bestimmten Ernährungsstrategien zu steigern. Und dies ist tatsächlich möglich, denn das NO kann im menschlichen Körper aus der Aminosäure L-Arginin gebildet werden. Wir nehmen L-Arginin über die Proteine aus unserer Nahrung auf, denn es ist eine Aminosäure und kommt in eiweißreichen Nahrungsmitteln vor.
Da die Lebensdauer von NO im Körper nur sehr kurz ist, wird es „an Ort und Stelle“ aus der Aminosäure L-Arginin gebildet, die (in Gegenwart von Sauerstoff) von dem Enzym Stickstoffmonoxid-Synthase in Stickstoffmonoxid und eine weitere Aminosäure, das L-Citrullin, aufgespalten wird (s. Abb. 1: Das Enzym „Stickstoffmonoxid-Synthase“ (unten schematisch dargestellt) begünstigt die Reaktion von L-Arginin und Sauerstoff, so dass NO und eine weitere Aminosäure, das L-Citrullin, gebildet werden. Stickstoffmonoxid-Synthase ist ein großes und komplexes Molekül, das auf die Aktivität von Eisenund Kalzium-Ionen (= Fe- und Ca-Ionen) sowie auf Moleküle der Vitamin-BGruppe (FAD, FMN, NADPH und NADP+) angewiesen ist, die bei der Reaktion Elektronen (e-) weiterleiten.).
L-Arginin ist folglich eine wichtige Vorläufersubstanz von NO im menschlichen Körper. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass eine vermehrte Argininzufuhr die NO-Produktion tatsächlich steigern kann.(2) Folglich ist die Arginin-Supplementierung als NO-Booster bei Sportlern und Sportlerinnen sehr populär (s. nächster Absatz).
Arginin, Protein und Nahrungsergänzungsmittel
Wenn L-Arginin im Eiweiß enthalten ist, das wir über die Nahrung aufnehmen, warum essen wir dann nicht einfach mehr Proteine, statt die NO-Produktion mit Arginin-Nahrungsergänzungsmitteln zu steigern? Leider ist L-Arginin nur eine von vielen Aminosäuren im Protein. 100 g Hühnchen enthalten etwa 26 g Protein, aber der L-Arginin-Anteil beträgt lediglich 1,5 g. Um pro Tag weitere 5 oder 6 g L-Arginin zu erhalten, mit denen sich die NO-Herstellung scheinbar deutlich ankurbeln lässt, müssten wir täglich fast 500 g Hühnchen zusätzlich zu unserer normalen Nahrungsaufnahme zu uns nehmen. Dies bedeutet aber auch 600 zusätzliche Kalorien – was für die schlanke Linie nicht gerade förderlich ist! Außerdem deuten Ergebnisse früherer Studien darauf hin, dass – wenn keine anderen Aminosäuren vorhanden sind – das zugeführte L-Arginin die Blut-Hirn-Schranke passieren und die Ausschüttung von Wachstumshormonen aus der Hypophyse im Gehirn stimulieren kann.
Die Beweisführung in 3 Schritten
So weit, so gut, aber welchen wissenschaftlichen Beweis gibt es dafür, dass die Verwendung von NO-Boostern bei Sportlern und Sportlerinnen tatsächlich Wirkung zeigt? Den NO-Boostern auf der Basis von L-Arginin werden vor allem die folgenden beiden Wirkungen zugeschrieben:
– Die NO-bedingte, verstärkte Vasodilation sorgt für einen erhöhten Blutfluss. Dies führt zu einer besseren Blut- und Nährstoffversorgung der arbeitenden Muskeln und einem effizienteren Abbau von Nebenprodukten wie z. B. dem Laktat, was eine insgesamt leistungssteigernde Wirkung hat.
– Die L-Arginin-Supplementierung stimuliert zudem die natürliche Produktion von Wachstumshormonen im Körper, was wiederum zur Regeneration beiträgt und den Muskelzuwachs und Kraftgewinn fördert.
1. Arginin und die Wachstumshormone
Betrachten wir zunächst einmal die 2. Aussage, deren Evidenz hauptsächlich aus Tierstudien und Studien mit inaktiven Probanden stammt. Tests, die in letzter Zeit in Zusammenhang mit der Arginin- Supplementierung oder -Infusion durchgeführt wurden, zeigen, dass das Arginin bei Ratten zu einer erhöhten Aktivität von Genen führen kann, die für die Bildung von Wachstumshormonen zuständig sind.(3,4) Darüber hinaus zeigte eine Studie dänischer Wissenschaftler, dass es bei gesunden jungen Männern, denen eine Arginin-Infusion verabreicht worden war, zu einer vermehrten Ausschüttung von Wachstumshormonen kam als bei Probanden ohne eine solche Infusion.(5) Dies scheint die Arbeit britischer Wissenschaftler zu bestätigen, die 3 Jahre zuvor in einer Studie an 18 gesunden jungen Männern festgestellt hatten, dass eine Infusion mit Arginin im Vergleich zu der mit einem Placebo die Ausschüttung von Wachstumshormon stark angekurbelt hatte. Eine weitere Studie belegte, dass Arginin auch bei 5- bis 14-jährigen Kindern die Wachstumshormonproduktion steigert.(6) Dieses Ergebnis wird ebenfalls von einer Studie an gesunden älteren Personen bestätigt, denen Arginin entweder oral oder über eine Infusion verabreicht worden war.(7)
Die Problematik bezüglich der Aussage, dass Arginin die Ausschüttung von Wachstumshormonen ankurbelt, zeigt sich bei der Betrachtung von Studien an körperlich aktiven Probanden. Hier ist die Beweislage nicht nur schwach, sondern lässt sogar eine kontraproduktive Wirkung der Arginin-Supplementierung vermuten. Kalifornische Wissenschaftler untersuchten zum Beispiel die Wirkung der Kombination von Arginin und Krafttraining an jungen Erwachsenen sowie älteren Personen.(8) Sport, vor allem das Krafttraining, fördert bekanntlich eine natürliche Ausschüttung von Wachstumshormonen. Die Wissenschaftler wollten daher prüfen, ob eine zusätzliche Dosis Arginin die Wachstumshormonausschüttung in Kombination mit dem Training noch mehr stimulieren könnte.
Bei den Probanden (20 Personen im Durchschnittsalter von 22 Jahren und 8 Personen im Durchschnittsalter von 68 Jahren) wurde der Wachstumshormonspiegel unter folgenden 3 Bedingungen gemessen:
– in Ruhe nach der Einnahme von 5 g Arginin
– nach 3 Sätzen oder 8–10 Wiederholungen bei 85 % von 1RM bei 12 verschiedenen Kraftübungen
– nach der Einnahme von 5 g Arginin und dem Absolvieren des vorgenannten Trainingsprogramms
Die Studie ergab, dass die Arginin-Infusion weder im Ruhezustand zu einer nach sportlicher Aktivität erheblichen Stimulierung der Wachstumshormonausschüttung führte noch die Ausschüttung der Wachstumshormone ankurbeln konnte. Noch deutlicher wurde, dass Arginin bei den jungen Probanden die Ausschüttung von Wachstumshormonen im Vergleich zur der nach reinem Training offenbar sogar noch abschwächte.
In einer neuen, Anfang des Jahres 2008 von US-Wissenschaftlern veröffentlichten Schriftenübersicht werden diese Ergebnisse bestätigt.(9) Die wesentliche Erkenntnis war die, dass die meisten Studien, bei denen Arginin oral verabreicht worden war, zu dem Ergebnis gekommen waren, dass 5–9 g Arginin allein den Wachstumshormonspiegel in Ruhe um mindestens 100 % erhöhen können, während die sportliche Aktivität ihn um 300–500 % steigern kann. Besorgniserregend ist jedoch, dass die Kombination aus oralem Arginin und Sport die Reaktion der Wachstumshormonproduktion nach reinem Training abschwächt: Der Wachstumshormonspiegel lag hierbei nur um rund 200 % über dem im Ruhezustand. Die Wirkung war hier also geringer als nach reinem Training.
Weshalb zusätzliches Arginin die belastungsinduzierte Ausschüttung von Wachstumshormonen verringern kann, ist völlig unklar. Die aktuelle Beweislage zeigt jedoch deutlich, dass die Wirkung von sportlicher Belastung auf die Wachstumshormonausschüttung wesentlich größer ist als die von Arginin. Wer also die muskelaufbauende Wirkung des Trainings maximieren möchte, kann durch die Zufuhr von Arginin nicht viel gewinnen, aber möglicherweise einiges verlieren!
2. Arginin als NO-Booster
Die Evidenzlage für Arginin als wirksames Mittel zur Ankurbelung der Wachstumshormonproduktion ist also – gelinde gesagt – recht dürftig. Wie sieht es aber mit der 2. Aussage aus, dass Arginin die NO-Produktion verstärkt? In diesem Zusammenhang sind 2 Fragen zu klären. Kommt es bei einer Zufuhr von Arginin zu einer deutlichen Steigerung der NO-Produktion? Und wenn ja, ergeben sich hieraus tatsächlich Vorteile für die Sportler?
Was die zusätzliche Gabe von Arginin anbelangt, so zeigen Studien, dass sowohl diabetische Ratten als auch Menschen, die Diabetiker sind, eine deutlich verminderte Arginin-Konzentration im Blut aufweisen.(10,11,12,13) Klinische und experimentelle Studien belegen, dass die Gabe von Arginin eine positive Wirkung hat und die vaskuläre Funktion (über die Vasodilation) bei diabetischen Probanden verbessert.(14,15) Darüber hinaus zeigen Studien an diabetischen Ratten, dass zusätzlich zugeführtes Arginin die NO-Produktion ankurbeln kann.(16) Aber sind diese Ergebnisse auch auf sportlich aktive Menschen übertragbar?
Wissenschaftliche Studien zu diesem Thema klingen nicht gerade überzeugend: Eine doppelblinde, placebokontrollierte US-Studie ergab, dass 8,4 g Arginin, über 2 Wochen täglich verabreicht, bei Patienten mit hohem Blutcholesterinanteil die Blutplättchenaggregation (Klebrigkeit der Blutkörperchen) senkt.(17) Die Forscher vermuteten, dass dieser Effekt die Folge einer erhöhten NO-Produktion war. Ihre früheren Studien hatten nämlich bei Kaninchen gezeigt, dass eine verminderte vaskuläre Aktivität von Stickstoffmonoxid durch eine Supplementierung mit Arginin wieder gebessert werden konnte.
Eine andere US-Studie aus dem Jahr 2007 ist jedoch zu völlig anderen Ergebnissen gekommen. Darin waren die Auswirkungen einer langfristigen Verabreichung (6 Monate) von 3 g Arginin auf die vaskuläre Reaktivität und Funktionskapazität bei 133 Patienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit untersucht worden.(18) Das Wichtige hierbei ist, dass die Wissenschaftler nicht nur die Wirkung von Arginin auf die Symptome dieser Erkrankung (z. B. Wadenschmerzen während sportlicher Belastung) betrachteten, sondern anhand verschiedener Techniken auch direkt untersuchten, inwieweit in den Geweben NO verfügbar war. Sie stellten fest, dass bei einer Arginin-Supplementierung weder eine Stimulierung der Stickstoffmonoxidproduktion noch eine Verbesserung der Gefäßgesundheit eingetreten waren. Bei genauer Betrachtung der Krankheitssymptome beobachteten sie sogar, dass es manchen Teilnehmern nach der Gabe eines Placebos (ohne Arginin) besser ging als nach der Verabreichung von Arginin!
3. Arginin zur Leistungssteigerung?
Die Evidenzlage für eine Einnahme von Arginin als NO-Booster ist zwar nicht gerade überzeugend. Aber was macht das schon, wenn es tatsächlich die Leistung steigern kann? Leider müssen wir die Anhänger von NO-Boostern hierin enttäuschen, denn die wissenschaftlichen Beweise sind noch weniger überzeugend!
Ein Hoffnungsschimmer kommt von einer polnischen Studie. Darin wurde die Ausdauerleistungsfähigkeit von 21 Patienten mit kongestiver Herzinsuffizienz, denen eine Woche lang täglich 9 g Arginin verabreicht wurden, untersucht.(19) Die Supplementierung mit Arginin führte hierbei im Vergleich zu der mit einem Placebo tatsächlich zu einer längeren Trainingsdauer. Den Grund für diese Leistungssteigerung konnten die Forscher jedoch nicht ermitteln, da bei den Patienten keine Anzeichen für eine veränderte NO-Produktion feststellbar waren.
Im Gegensatz dazu gibt es nur wenige Studien, in denen die Arginin-Supplementierung und die anschließende Leistung an trainierten Sportlern untersucht werden. Schweizer Wissenschaftler untersuchten, ob eine 4-wöchige tägliche Einnahme von 2 unterschiedlichen Dosierungen von Argininaspartat (AA, ein Arginin-Nahrungsergänzungsmittel, das vom Körper schnell resorbiert und genutzt wird) Auswirkungen auf bestimmte Parameter des Übertrainingssyndroms, wie Leistung und Stoffwechselparameter, bei 30 ausdauertrainierten männlichen Sportlern hatte.(20)
Die Sportler wurden in 3 Gruppen eingeteilt und nahmen entweder eine hohe Dosis AA (bestehend aus 5,7 g Arginin und 8,7 g Aspartat), eine geringe Dosis AA (2,8 g Arginin und 2,2 g Aspartat) oder ein Placebo ein. In einem fahrradergometrischen Belastungstest vor und nach der Supplementierung wurden die maximale Sauerstoffaufnahme und die Zeit bis zur Erschöpfung ermittelt. Es zeigte sich, dass das Argininaspartat keinerlei Einfluss auf die Leistung oder andere gemessene Stoffwechselparameter hatte und dass diese Feststellung dosisunabhängig war. Die Forscher bemerkten hierzu: „Es gibt keinen ersichtlichen Grund für die Annahme, dass die Supplementierung mit Argininaspartat eine ergogene Wirkung haben könnte. Die Einnahme von Argininaspartat als potenziell ergogenes Mittel sollte daher kritisch überprüft werden.“
Eine taiwanesische Studie an durchtrainierten männlichen Sportlern war ebenfalls wenig erfolgreich. Darin wurde die Wirkung einer kurzzeitigen Arginin-Supplementierung auf die Leistung bei intermittierendem anaeroben Training untersucht.(21) Die Probanden waren 10 Elite-Judoka eines Collegeteams. Sie nahmen 3 Tage lang jeweils 6 g Arginin oder ein Placebo ein und absolvierten anschließend einen intermittierenden anaeroben Belastungstest auf dem Ergometer. Die Wissenschaftler konnten bei den beiden Testversuchen keine signifikanten Unterschiede im Hinblick auf den Nitrat- und Nitritgehalt im Blut feststellen (was darauf schließen lässt, dass es nicht zu einer größeren NO-Produktion gekommen war). Bei der Spitzen- und Durchschnittsleistung während der Belastung zeigten sich ebenfalls keine Unterschiede.
Obst und Gemüse als NO-Booster
Eine faszinierende Studie kommt aus Schweden. Sie zeigt, dass die NO-Aktivität und die Leistung statt mit NO-Boostern auch durch den Verzehr von mehr Obst und Gemüse gesteigert werden können. Obst und Gemüse sind von Natur aus reich an Nitrat und Nitrit, und beide können vom Körper in NO umgewandelt werden. Die Forscher untersuchten, welche Wirkung die simulierte Aufnahme von reichlich Obst und Gemüse hat. Dazu verabreichten sie 9 gesunden, durchtrainierten jungen Männern ein Nitrat-Ergänzungsmittel und verglichen dessen Wirkung bei einem submaximalen und maximalen Belastungstest auf einem Fahrradergometer mit der Wirkung eines Placebos. Sie stellten fest, dass die Nitrat-Supplementierung einen geringeren Sauerstoffbedarf während submaximaler Belastung zur Folge hatte und dass dieser Effekt ohne einen gleichzeitigen Anstieg der Blutlaktatkonzentration auftrat. Dies deutet auf eine effizientere Energieproduktion hin. Sollte diese Wirkung in Folgetests bestätigt werden, könnte es weiterer Grund sein, mehr Grünzeug zu essen!
Zusammenfassung
Sportergänzungsmittel sind nicht gerade preiswert. Sie müssen sich daher bezahlt machen und den Sportlern eine Leistungssteigerung bringen. Die sollten sich also fragen, ob das Geld nicht besser angelegt wäre, wenn sie grundsätzlich ihre Ernährung verbesserten. Trotz des überzeugenden Marketing-Hypes gibt es nur wenige positive Belege für die Vorteile von NO-Boostern auf Arginin-Basis. Solange diese wissenschaftlich nicht eindeutig nachgewiesen sind, sollten Sportler, die sich Leistungsvorteile über die Nahrung verschaffen wollen, lieber zu nachweisbar wirksamen Produkten greifen!
Praktische Tipps
– Die Beweislage dafür, dass NO-Booster Sportlern und Sportlerinnen einen signifikanten Leistungsvorteil verschaffen, ist äußerst schwach. Da solche Nahrungsergänzungsmittel zudem auch teuer sind, sind sie als leistungssteigernde Mittel kaum zu empfehlen.
– Stattdessen sollten die Sportler lieber auf eine möglichst gute Basisernährung achten. Statt ihr Geld für sportspezifische Nahrungsergänzungsmittel auszugeben, sind sie mit dem Kauf bewährter Produkte, wie z. B. von Kohlenhydratgetränken, Kreatin und Koffein, besser beraten.
Quellenangaben
1. Pharmacological Review, 1991, Bd. 43, S. 109–142
2. Journal of Medicine, 1999, Bd. 30 (3, 4), S. 131–148
3. Neuroendocrinology, 2004, Bd. 79 (1), S. 26–33
4. Life Science, 2006, Bd. 79 (15), S. 1444–1449
5. Journal of Endocrinological Investigation, 1999, Bd. 22 (5), S. 89–93
6. Journal of Endocrinological Investigation, 1993, Bd. 16 (7), S. 521–525
7. Journal of Endocrinological Investigation, 1994, Bd. 17 (2), S. 113–117
8. Journals of Gerontology A: Biological Science and Mededical Science, 1999, Bd. 54 (8), S. 395–399
9. Current Opinion in Clinical Nutrition and Metabolic Care, 2008, Bd. 11 (1), S. 50–54
10. American Journal of Physiology – Endocrinology And Metabolism, 1983, Bd. 244, S. E151–E158
11. Journal of Pharmacology, 1997, Bd. 283, S. 684–691
12. Metabolism, 1992, Bd. 41, S. 28–32
13. Amino Acid Metabolism and Therapy in Health and Nutritional Disease, 1995, S. 287–298
14. Clinical Science, 1994, Bd. 87, S. 37–43
15. Journal of the American College of Nutrition, 2002, Bd. 21, S. 422–427
16. Journal of Nutrition, 2004, Bd. 134 (3), S. 600–608
17. Journal of the American College of Cardiology, 1997 , Bd. 29 (3), S. 479–485
18. Circulation, 2007, Bd. 116 (2), S. 188–195
19. Kardiologia Polska, 2004, Bd. 60 (4), S. 348–353
20. International Journal of Sports Medicine, 2005, Bd. 26 (5), S. 344–349
21. The Journal of Nutritional Biochemistry, 2008
Fachsprache
Vorläufersubstanz – eine im menschlichen Körper enthaltene Substanz für die Herstellung eines Zielmoleküls oder Proteins
Vasodilation – der Vorgang, bei dem sich die Blutgefäße erweitern, so dass der Blutfluss ansteigt
Blutlaktat – ein bei starker sportlicher Belastung natürlich auftretendes Produkt, das entsteht, wenn die Muskeln nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt sind
Periphere arterielle Verschlusskrankheit – eine Verengung der Arterien in den Extremitäten, zumeist den Beinen, die sehr häufig durch Fettablagerung, die so genannten Plaques, entsteht