Bewegungsmangel verursacht Rückenschmerzen

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Bewegungsmangel: Myofasziale Dysbalancen und das Fasziengewebe scheinen nicht nur bei unspezifischen Rückenschmerzen eine wesentliche Rolle zu spielen. Der Schmerzexperte Dr. Torsten Pfitzer gibt einen kurzen Einblick in das – im wahrsten Sinne des Wortes – spannende Thema.

Warum führt Bewegungsmangel zu Beschwerden?

Die allgemeinen Risikofaktoren für Zivilisationskrankheiten wie Bewegungsmangel, falsche Ernährung oder Stress gelten auch für Rückenschmerzen. Das macht deutlich, wie vielfältig die Aspekte sein können, die das komplexe Gesamtsystem Mensch prägen. Dieses multifaktorielle, sich gegenseitig beeinflussende Geschehen muss im Sinne eines ganzheitlichen Ansatzes sowohl in der Prävention als auch in der Therapie von Schmerzen beachtet werden.

Bewegungsmangel bzw. immer gleiche, einseitige Bewegungsabläufe (z. B. adynamisches Sitzen) sind die offensichtlichsten Ursachen von Schmerzen. Dabei ist wichtig zu wissen, dass bei so entstehenden Beschwerden im Sinne der dreidimensionalen Verbundenheit (Stichwort Tensegrity-Modell) die Ursache oft an einer anderen Stelle zu finden ist als die Lokalisation der Schmerzwahrnehmung. So kommt es, dass bei Rückenproblemen üblicherweise die „verkürzte“ vordere Körperseite das Problem verursacht, der Betroffene den Schmerz jedoch hinten im Rücken spürt.

Die Rolle der myofaszialen Kette bei Rückenschmerzen

Vergleicht man unseren Körper mit einem Bogen, dessen Sehne man spannt, so stellen die Sehnen die Körpervorderseite und der Bogen die Körperrückseite dar. Das Spannen der Sehne kommt einem Zug gleich, also einer Verkürzung der vorderen myofaszialen Kette. Der Bogen, die hintere myofasziale Kette, also unser Rücken, muss diese Zugspannung stetig aushalten bzw. sogar dagegenwirken, um die Dysbalance der biomechanischen Kräfte auszugleichen. Bei einer weiteren Belastung – körperlich oder auch seelisch – kann dieses extreme Missverhältnis zwischen Agonist und Antagonist unter Umständen nicht mehr kompensiert werden. Das wird dem Betroffenen durch Schmerz signalisiert. Zudem reagiert die Thorakolumbalfaszie auf den Bewegungsmangel und die Überlastung durch schlecht hydratisierte „Schmier-Proteine“ (Glykosaminoglykane) mit Verklebungen und zusätzlichen Kollagenvernetzungen, was die Anpassungs- und Widerstandsfähigkeit weiter einschränkt. Aufgrund der hohen Dichte an Nozizeptoren führt das zu Rückenschmerzen.

Wie äußert sich Bewegungsmangel im Körper?

Bei Rückenschmerzen liegt somit in den allermeisten Fällen die Ursache nicht hinten im Rücken, wo es weh tut, sondern in der verkürzten Vorderseite. Aus diesem Grund beseitigen Massagen am Rücken, Bandscheibenoperationen und ähnliche Eingriffe nicht die Wurzel des Übels. Das erklärt auch die mittel- und langfristige niedrige Erfolgsrate dieser Methoden. Wenn überhaupt ein Bandscheibeneingriff erfolgen soll, dann muss das immer mit einem Ausgleich der myofaszialen Dysbalancen geschehen. Und wenn man das konsequent mit dem Patienten umsetzt, hat sich die Frage einer Operation meistens ohnehin erledigt. Der erste Ansatz liegt hier in der Aufklärung und Problembewusstmachung des Patienten.

Der Alltag des Großteils der Bevölkerung spielt sich fast ausschließlich in der Sitzposition ab: Von morgens am Frühstückstisch bis zum Einschlafen in der wohligen Embryohaltung erfährt der Alltag nur selten Abwechslung durch eine gegenläufige, nach hinten in die Überstreckung gerichtete Bewegung. Die besten Voraussetzungen also, früher oder später Rückenprobleme zu bekommen. Dieser falsche Körpergebrauch führt zwangsläufig zu einerseits „verkürzten“ und andererseits überlasteten, funktionsunfähigen Muskeln und Faszien. Für die Betroffenen ist es irgendwann leichter, sich im Rahmen dieses starren Korsetts zu bewegen, weil das Ausnutzen der ursprünglichen Bewegungsmöglichkeiten Schmerzen auslösen würde. So wird schnell klar, dass das monotone Joggen für 40 Minuten die restlichen täglich in sitzender Position verbrachten ca. 1 000 Minuten aus biomechanischer Sicht nicht auszugleichen vermag, sondern eher nur das Gewissen beruhigt.

Fehlspannungen wieder ausgleichen

Um langfristig beschwerdefrei zu werden, müssen daher vorrangig die myofaszialen Fehlspannungen als auslösende Ursache wieder ins Gleichgewicht gebracht werden. Anschließend sollten die Patienten möglichst abwechslungsreiche Bewegungen mit unterschiedlichen Belastungsmustern in ihren Alltag integrieren. Spezielle myofasziale Techniken und Übungen, die richtige Ernährung und ein guter Umgang mit psychosozialen Einflussfaktoren durch z. B. Entspannungstraining können zur Rückengesundheit und mehr Lebensfreude in jedem Alter führen.

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Autor:

Dr. Torsten Pfitzer studierte Pharmazie in Freiburg. Chronische Rückenschmerzen und mehrere Bandscheibenvorfälle, die sich trotz Behandlung stetig verschlechterten, brachten ihn schließlich dazu, sich auf dem Gebiet der Schmerztherapie weiterzubilden und das Erlernte ganzheitlich an sich selbst anzuwenden. Heute ist Dr. Pfitzer in München praktizierender Heilpraktiker und Osteopath mit verschiedensten Zusatzqualifikationen. Er hat mit BLACKROLL® eine Online-Schulung konzipiert, in der er den Zusammenhang zwischen myofaszialen Ketten und Schmerzen verdeutlicht.

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