Nichtspezifische Kreuzschmerzen: Empfehlungen der NVL

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Für „Nichtspezifische Kreuzschmerzen“  wurden zahlreiche nationale und internationale Versorgungsleitlinien erarbeitet, die regelmäßig von Experten aktualisiert werden. In ihren Empfehlungen unterscheiden sie sich nur geringfügig. Dr. Hartmut Wolff fasst wichtige Punkte zusammen, die für Bewegungsanbieter von Relevanz sind.

Grundsätzliche Empfehlungen der NVL

Der „nichtspezifische Kreuzschmerz“ ist mit 90 Prozent die häufigste Diagnose unter den Rückenschmerzpatienten. In den vergangenen Jahren verstärkte man in den Leitlinien die nichtpharmakologischen Interventionen und zeigte die besondere Bedeutung der Bewegungsprogramme auf. Dabei richten sich die Empfehlungen der Nationalen Versorgungsleitlinie (NVL) primär an

  • die versorgenden Mediziner unterschiedlicher Fachrichtungen,
  • die nichtärztlichen Fachberufe, die in Kooperation mit den Ärzten behandeln – d. h. Ergotherapie, Physiotherapie, Psychotherapie, und
  • betroffene Patienten.

Die NVL gibt dem Arzt als „Lotse in der Rückentherapie“ eine klare Orientierung. In aufklärenden Gesprächen soll der Arzt den Patienten zur Aktivierung motivieren und verdeutlichen, dass körperliche Bewegung keine Schäden hervorruft, sondern zur Linderung der Beschwerden beiträgt. Um die aktivierenden Maßnahmen weiter zu unterstützen werden medikamentöse und nichtmedikamentöse Therapien genannt. Außerdem soll der Mediziner in ergänzenden aufklärenden Beratungsgesprächen dem Betroffenen Kompetenzen zu gesundheitsbewusstem Verhalten vermitteln. Hierzu zählt auch die Erklärung des biopsychosozialen Krankheitsmodells von Kreuzschmerzen. Der Arzt ist aufgefordert, den Patienten kontinuierlich zu einem körperlich aktiven Lebensstil zu motivieren, indem er

  • über die biopositive Wirkung von körperlicher Aktivität aufklärt,
  • über die Wichtigkeit der leistungsangepassten Gestaltung körperlicher Aktivität informiert,
  • Basiswissen zur Verbesserung der Kraft  und Ausdauer vermittelt und
  • die Bedeutung der regelmäßigen Aktivität (mindestens zweimal/Woche) aufzeigt.

Was kann man gegen Kreuzschmerzen tun?

Die nachstehenden Ausführungen beziehen sich auf die Empfehlungen zu den nichtmedikamentösen Therapien, Kapitel 5 der aktuellen NVL aus dem Jahr 2017 (siehe www.leitlinien.de). Doch es fällt Medizinern, Therapeuten und Trainern immer wieder schwer, Rückenpatienten von der positiven Wirkung der therapieunterstützenden Trainingsprogramme oder der dauerhaften präventiven Trainingsmaßnahmen zu überzeugen. Dabei können die Empfehlungen der NVL im Therapie- und Trainingsalltag helfen.

Die Empfehlungen der Leitlinien sind mit Empfehlungsgraden versehen. Sie unterteilen sich in:

  • Grad A – „Soll-Empfehlung“,
  • Grad B – „Sollte-Empfehlung“ und
  • Grad C – „Kann-Empfehlung“.

Die Empfehlungen entsprechend der „Klassifikation nach zeitlichem Verlauf“. Zur Differenzierung der Klassifikationen:

  • akute Kreuzschmerzen – eine aktuelle Schmerzphase mit einer Dauer bis zu sechs Wochen
  • subakute Kreuzschmerzen – länger als sechs Wochen und kürzer als zwölf Wochen anhaltende Episoden
  • chronischer Kreuzschmerz – Schmerzen, die länger als zwölf Wochen auftreten

 Zitate aus dem Kapitel 5 der NVL:

  • „Bettruhe soll zur Behandlung nicht-spezifischer Kreuzschmerzen nicht angewendet werden, den Betroffenen soll von Bettruhe abgeraten werden. Empfehlungsgrad: A
  • Bewegungstherapie, kombiniert mit edukativen Maßnahmen nach verhaltenstherapeutischen Prinzipien, soll zur primären Behandlung subakuter und chronischer nicht-spezifischer Kreuzschmerzen zur Unterstützung der körperlichen Aktivität angewendet werden. Empfehlungsgrad: A
  • Patienten mit subakuten und chronischen nicht-spezifischen Kreuzschmerzen sollte unter folgenden Bedingungen die Teilnahme an einer Rehabilitationssport- bzw Funktionstrainingsgruppe empfohlen werden: 1. anhaltende alltagsrelevante Aktivitätseinschränkungen 2. Gefährdung der beruflichen Wiedereingliederung. Empfehlungsgrad: B
  • Das Entspannungsverfahren ‚Progressive Muskelrelaxation‘ (PMR) sollte man zur Behandlung chronischer nicht-spezifischer Kreuzschmerzen anwenden. Empfehlungsgrad: B

In Kapitel 8 „Prävention“ folgen weitere Empfehlungen zu Trainingsmaßnahmen: „Körperliche Bewegung soll den Betroffenen zur Vermeidung oder Verkürzung von Kreuzschmerzepisoden und Arbeitsunfähigkeit empfohlen werden.“ Allerdings: „Die Form der Bewegung soll sich nach den individuellen Präferenzen und Voraussetzungen der Betroffenen richten.“ Beide Statements erhalten den höchsten Empfehlungsgrad: A.

Was verursacht Kreuzschmerzen?

An diesen Empfehlungen lässt sich die große Bedeutung erkennen, welche die Bewegung bei der Behandlung von unspezifischen Kreuzschmerzen einnimmt. Es wird aber auch klar, dass es keine Empfehlung für ein bestimmtes Trainingsprogramm gibt, was vor allem durch die internationale Studienlage und die internationalen Leitlinien bestätigt wird. Übereinstimmend berichtet man, dass Bewegungstherapie zur Versorgung bei subakuten und chronischen nichtspezifischen Kreuzschmerzen einer allgemeinmedizinischen und passiven Maßnahme hinsichtlich Schmerzreduktion und Verbesserung der Funktionsfähigkeit überlegen ist.

Insbesondere scheinen in diesem Kontext Programme zur Muskelkräftigung und Stabilisation bessere Effekte zu erreichen als Herz-Kreislauf-Programme, es ergibt sich jedoch keine Präferenz für ein spezielles Programm. Ob Yoga, Pilates, Krafttraining, segmentale Stabilisation oder Dehnübungen, keine Trainingsform zeigt sich eindeutig überlegen. Daher ist die Selektion des Trainings nach der Vorliebe des Betroffenen und seinen persönlichen Voraussetzungen vorzunehmen. Dabei sichert professionelle Betreuung und Motivation durch den qualifizierten Trainer und Therapeuten den langfristigen Erfolg.

Fazit

Unter Berücksichtigung der Empfehlungen der nationalen und internationalen Versorgungsleitlinien zur Behandlung des nichtspezifischen Kreuzschmerzes ist festzustellen, dass zahlreiche Trainingsangebote gesundheitsorientierter Sportanlagen – durchgeführt von qualifiziertem Personal – einen sehr guten Beitrag zur Vermeidung von Rückenschmerzen leisten können. Dies trifft sowohl auf therapieunterstützende Maßnahmen als auch auf langfristig angelegte Präventionsprogramme zu. Daher gilt es, an dieser Stelle die vorhandenen Ressourcen und Möglichkeiten der Gesundheitsanbieter konsequent zu nutzen und durch die Gesetzgebung unkompliziert zu fördern.

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Autor:

Dr. Hartmut Wolff ist Geschäftsführer der Dr. WOLFF Sports & Prevention GmbH und gilt seit mehr als zwei Jahrzehnten als Pionier im Bereich Rückenfitness. Mit seinen praxisorientierten Systemlösungen für das präventivmedizinische Training revolutionierte er die gesamte Fitnessbranche. Sein Unternehmen zählt mittlerweile zu den führenden deutschen Medizinprodukteherstellern.

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