Im Moment – das neue Buch von Bundestrainer Hansi Flick: „Die volle Verantwortung für das eigene Handeln, den eigenen Weg und die eigenen Entscheidungen zu übernehmen ist einer der wichtigsten Schlüsse, die man ziehen kann, um ein glückliches Leben zu führen!“
Worüber geht es im neuen Buch von Bundestrainer Hansi Flick?
Der Bundestrainer Hansi Flick öffnet in seinem neuen Buch höchstpersönlich seine Blackbox. Am Beispiel zahlreicher Geschichten aus seinem Leben und seiner Karriere zeigt Hansi Flick, was der Fußball ihn gelehrt hat, wie man gestärkt aus Rückschlägen hervorgeht und was das Wichtigste im Leben ist: Familie und Freundschaft. Im Zentrum des Buches von Hansi Flick steht seine Führungsphilosophie. Die Basis seiner Arbeit auf dem Platz und die Grundlage seines Erfolgs.
Hansi Flick erzählt in seinem Buch „Im Moment“ über seine Kindheit und die Reflexion dieser Phasen
„Mein Vater hat mich gefördert, mich gepusht und alle Hebel in Bewegung gesetzt, damit der unwahrscheinliche Schritt ins Profigeschäft gelingen kann. Durch seinen Ehrgeiz und seine Unnachgiebigkeit habe ich noch härter trainiert und diesen unbändigen Wunsch noch tiefer verspürt: Ich wollte Profifußballer werden.“
Das Ziel, Profifußballer zu werden, stand für mich schon in jungen Jahren fest. Ich hatte auch keine Scheu, das klar zu äußern. Zu meiner Klassenlehrerin in der Grundschule, Frau Arnold, habe ich schon damals gesagt: »Ich werde Profi und spiele beim FC Bayern.« Das war für mich ganz klar, ich sah gar keine andere Möglichkeit. Frau Arnold rief bis zu ihrem Tod im Jahr 2022 noch ab und zu bei meinen Eltern an und brachte diese Geschichte dabei gern auf.
Das Limit auszureizen gibt mir einen besonderen Kick
Mein Vater hatte einen Wettkampf initiiert, indem er mir die Zeiten genannt hat, in denen Gleichaltrige, etwas Ältere und sogar die fittesten Spieler aus seiner Mannschaft dieselben Strecken gerannt sind wie ich. Das Ganze fand auf einer älteren Sportanlage in Reichartshausen statt. Dort gab es eine Art Trimm-dich-Pfad mit einer Laufstrecke, wo er auch mit seiner eigenen Mannschaft während seiner aktiven Zeit regelmäßig trainierte.
Er erzählte mir dann von einem früheren Teamkollegen, der besonders schnell gewesen war. Natürlich wollte ich dessen Zeiten dann knacken – und verspürte große Freude an der gemeinsamen Herausforderung mit meinem Vater. Es hat mich motiviert, ein Team mit meinem Vater zu sein und alles zu geben, um neue Bestwerte aufzustellen.
Hansi Flick berichtet in seinem neuen Buch auch über die Konflikte mit seinem Vater
Nichts schien unmöglich in diesen Momenten. Nur manchmal kippte die gute Atmosphäre. Ein Ereignis hat sich dabei besonders in mein Gedächtnis eingebrannt. Ich wechselte als 11-Jähriger von unserem Dorfverein BSC Mückenloch zum nächstgrößeren Verein SpVgg Neckargemünd, weil ich noch mehr gefordert und gefördert werden wollte. Ich war ganz einfach bereit für den nächsten Schritt.
Der Jugendleiter von Neckargemünd, Helmut Schachler, lotste mich damals zu seinem Verein. Bei einem Hallenturnier in Eberbach kam es dann, wie es kommen musste: Wir spielten mit dem neuen Verein gegen Mückenloch und verloren 1:0. Als wir nach dem Turnier nach Hause fuhren, wurde meine Fahrt schon vorzeitig beendet: Es war Winter, es war kalt und dunkel, trotzdem ließ mich mein Vater im verschneiten Wald aussteigen und einige Kilometer allein nach Hause laufen. Das war schon sehr hart für mich und hat eine ganze Weile an mir genagt.
Ich konnte meinen Vater einerseits gut verstehen, weil er viel in mich investierte und in mir eine Chance sah, gewisse Dinge ausleben zu dürfen, die ihm in seinem eigenen Leben versagt geblieben waren. Gleichzeitig hatte ich ein mulmiges Gefühl, weil ich nie wusste, wie er mit der nächsten Enttäuschung umgehen würde. Wir hatten doch gegen Mückenloch nur dieses einzige Spiel verloren! Die Strafe fühlte sich unverhältnismäßig hart an.
Mein Vater nahm Niederlagen und Fehler zu dieser Zeit oftmals persönlich und ließ mich das auch spüren. Damals habe ich darunter gelitten, wobei ich meinen Eltern und vor allem meinem Vater nie einen Vorwurf machen würde. Meine Mutter hat mich bekommen, als sie 16 war, und meinen Bruder nur kurze Zeit später. Mein Vater war ebenfalls noch sehr jung und musste sein Leben entsprechend anpassen. Er musste Verantwortung übernehmen und die Familie ernähren. Beide haben so viel für uns Kinder zurückgesteckt, dass ich ihnen nur dankbar sein kann.
Hansi Flick über Kraft aus dem Schmerz
Rückblickend habe ich immer wieder über diesen gefühlten Widerspruch nachgedacht. Um Höchstleistung zu bringen und alles aus dir herauszuholen, brauchst du eine gute und vertrauensvolle Atmosphäre, Sicherheit und die Gewissheit, dass du auch Fehler machen darfst. Doch nur weil ich selbst phasenweise das Gegenteil dieser Geborgenheit durchlebt habe, bin ich heute in der Lage, meinen Teams die passenden Rahmenbedingungen zu bieten. Da ich in meiner Jugendzeit immer auf der Hut war und sehr genau beobachtet habe, wann, wie und wo die Stimmung kippen könnte, nehme ich auch heute noch feinfühlig jede Veränderung in der Luft wahr.
Ich bin stetig darum bemüht, frühzeitig potenzielle Konfliktfelder zu erkennen und diesen entgegenzuwirken, damit die Teamdynamik stabil bleibt. Das soll nicht heißen, dass es nicht auch mal krachen darf und jeder Konflikt rigoros vermieden werden soll. Meine Aufgabe besteht darin, dass wir als Team funktionieren und jeder für den anderen kämpft. Wir müssen uns immer aufeinander verlassen können. Dafür nehmen wir in Kauf, dass es ab und an ungemütlich werden kann – um gemeinsam aufs nächste Level zu kommen.
Hansi Flick über Fehler, und was man daraus lernen kann
Weil man mir als Kind meine Fehler so sehr vorgehalten hat, fordere ich heute von meinen Spielern, dass sie sich die eigenen Fehler zugestehen. Fehler passieren, gerade wenn man mutig agiert. Fehler sind menschlich und gehören dazu. Nur durch Fehler kann man besser werden und das eigene Handeln reflektieren. Darauf ist meine gesamte Spielphilosophie ausgerichtet: mutig spielen, Initiative ergreifen, Offensivgeist entwickeln. Und auch mal etwas wagen!
Auf gewissen Positionen wiegen Fehler natürlich schwerer als auf anderen, aber insgesamt geht es mir darum, dass wir uns gemeinsam weiterentwickeln – und da gehören Fehler eben unvermeidlich dazu. Niederlagen schmecken niemandem. Aber Rückschläge, schmerzhafte Niederlagen und die Erfahrung des Scheiterns sind die besten Lehrmeister. Sie zwingen einen innezuhalten, einen Schritt zurückzumachen, sich zu hinterfragen und mit den richtigen Schlüssen und Entscheidungen den weiteren Weg einzuschlagen.
Durch die Reflexion dieser Phasen habe ich gelernt, dass ich selbst für mein Handeln und meine Ergebnisse verantwortlich bin. Ich habe mich nie als Opfer gesehen. Ich wurde mit verschiedenen Situationen konfrontiert, habe dabei auch Fehler gemacht, aber immer versucht, mein Bestes zu geben. Die volle Verantwortung für das eigene Handeln, den eigenen Weg und die eigenen Entscheidungen zu übernehmen ist einer der wichtigsten Schlüsse, die man ziehen kann, um ein glückliches Leben zu führen.»
Hansi Flick über Fokus und die bestmögliche Vorbereitung
An meine erste Besprechung als Trainer einer Mannschaft – damals in Bammental – kann ich mich noch gut erinnern. Das war für mich etwas ganz Besonderes. Das erste Mal vor so einer Gruppe zu stehen, in der auch einige Spieler älter waren als ich, war rückblickend auf jeden Fall ein Karriere- Highlight. Und es war genau die richtige Entscheidung, in Bammental die ersten Schritte als Trainer zu gehen. Ich habe mich ideal auf die nächste Station vorbereitet gefühlt. Ich dachte bei den nächsten Herausforderungen dann nie: Ich bin noch nicht so weit. Das ist noch eine Nummer zu groß.
Genauso ist es, wenn man ein Turnier oder eine Saison planen möchte. Es ist sinnvoll, von Spiel zu Spiel zu denken und den Fokus auf das zu richten, was als Nächstes kommt. Warum sollte ich mich verrückt machen wegen dem, was noch in ferner Zukunft liegt? Dadurch nimmt man sich nur die Chance, im Hier und Jetzt die bestmögliche Leistung abzurufen. Den Fehler haben wir beispielsweise im Halbfinale bei der EM 2012 gegen Italien gemacht: Wir haben Spieler wie Miroslav Klose und Thomas Müller geschont, weil wir gedanklich schon einen Schritt weiter waren – nämlich im Finale.
Genau aus diesem Grund konnten wir den nächsten Schritt dann aber gar nicht mehr gehen, weil wir verloren hatten. Es entstand das Modell, mit dem ich seitdem immer gut gefahren bin: Richte den Fokus auf das, was aktuell ansteht, und bereite dich bestmöglich vor.
Hansi Flick über die Vorbildfunktion
Als Kind oder Jugendlicher war es das höchste der Gefühle, wenn man es in die Nähe seiner Idole schaffte und sich persönlich ein Autogramm abholen oder vielleicht sogar zwei Sätze wechseln konnte. Mir ging es selbst so, als ich 15 Jahre alt war. Bayern München war zu einem Freundschaftsspiel gegen den VfR Mannheim angereist und ich durfte es mir live im Stadion anschauen. Nach dem Spiel versammelte sich eine riesige Menschenmenge vor dem Bus der Bayern, da alle den großen Stars möglichst nah sein wollten.
Mein damaliges Vorbild Kalle Rummenigge war im Spiel etwas früher ausgewechselt worden und saß schon im Bus und ich fasste mir ein Herz und marschierte schnurstracks auf die geöffnete Tür vorn beim Fahrer zu. Da mich niemand aufhielt, stieg ich tatsächlich ein. Der Fahrer war Rudi Egerer, der noch zu meiner aktiven Zeit für einige Jahre der Busfahrer war, und in der ersten Reihe sah ich Kalle sitzen. Ein wenig schüchtern fragte ich ihn nach einem Autogramm, und Kalle unterschrieb mir eine Karte. Niemand wies mich zurecht, dass ich im Bus nichts verloren hätte. Er musste lachen, als ich ihm die Geschichte viel später einmal erzählte. Dieser Moment hat mich glücklich gemacht. Es bedeutete mir unsagbar viel, dass ich dieses Autogramm bekam, dass ich Kalle kurz live erleben und mit ihm sprechen durfte. Das Gefühl und die Freude, die ich damals verspürte, habe ich nie vergessen.
Und bis heute dient diese Erfahrung für mich als freundliche Erinnerung an das, was wir Fußballer in anderen auslösen können. Wir haben eine Vorbildfunktion inne und müssen das Licht immer weiterreichen. Jemand hat uns eine Freude gemacht, wir machen anderen eine Freude. Das ist ein positiver Dominoeffekt, von dem ich nur allzu gern Teil bin.
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Im Moment
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Hansi Flick | Jonathan Sierck
Hansi Flick schreibt ein Buch? In der Tat – der Lesetraum aller Fußballfans wird wahr! Denn Flick bekleidet nicht nur das höchste Amt im deutschen Fußball. Der leise Badener, der Journalistenfragen gern lächelnd und mit feiner Ironie kontert, gab bisher nur wenig von sich preis. Nun öffnet der Weltklassetrainer höchstpersönlich die Blackbox Hansi Flick.
Am Beispiel zahlreicher Geschichten aus seinem Leben und seiner Karriere zeigt er, was der Fußball ihn gelehrt hat, wie man gestärkt aus Rückschlägen hervorgeht und was das Wichtigste im Leben ist: Familie und Freundschaft. Im Zentrum des Buches steht seine Führungsphilosophie, welche die Basis seiner Arbeit auf dem Platz und die Grundlage seines Erfolgs bildet.