Nachdem die nötigen Grundlagen für die Periodisierung in den letzten Artikeln geklärt wurden, geht es daran, einmal ein Beispiel aufzuzeigen, wie eine solche Periodisierung des Krafttrainings im Saisonverlauf eines Kanurennsportlers aussehen könnte.
Auf die Ziele kommt es an
Die erste Überlegung, die ich als Trainer/Sportler tätigen muss, ist zunächst einmal, was überhaupt das Ziel meines Krafttrainings ist. Und dieses Ziel ist immer abhängig davon, auf welche Wettkampfstrecke ich spezialisiert bin. Denn wie wir ja wissen, haben die unterschiedlichen Streckenlängen auch unterschiedliche Kraftanforderungen an den Sportler und somit müssen hier die Schwerpunkte im Training auch unterschiedlich gesetzt werden.
Im Groben können wir zwischen dem 200 m-Sprinter, dem 500 m-Kurzstreckler und dem 1000 m-Mittelstreckler auf den olympischen Strecken unterscheiden. Im Folgenden möchte ich jeweils ein Beispiel für die 200 m-Strecke und eines für die 1000 m-Strecke darlegen, da die 500 m-Strecke eine Art „Mittelding“ bildet und somit ganz vereinfacht ausgedrückt einen Mix aus den anderen beiden Periodisierungen darstellt.
Vorüberlegungen für die 200 m-Strecke
In Bezug auf das Krafttraining müssen wir vor allem beachten, dass die 200 m-Distanz-Leistung mit ca. 35-37 Sekunden Belastungszeit und dazu sehr hohen Kraftanforderungen vor allem von den Maximal- und Schnellkraftfähigkeiten, sowie der Schnellkraftausdauer, abhängig ist. Somit sollten wir im Krafttraining auch versuchen, vor allem diese Fähigkeiten auszubilden. Die besten Trainingsmittel hierfür sind demnach:
– Maximalkrafttraining
Das Schnellkraftausdauertraining würde ich persönlich beim unspezifischen Krafttraining ein wenig außen vor lassen, da wir diese Fähigkeit an für sich schon sehr viel auf dem Wasser bei schnelleren Trainingseinheiten trainieren. Genauso sieht es meiner Meinung nach mit der Kraftausdauer aus, welche quasi permanent auf dem Wasser trainiert wird. Dies wird sich später auch in dem Periodisierungsbeispiel wiederspiegeln. (Spezifisches Krafttraining im Kanurennsport)
Vorüberlegungen für die 1000 m-Strecke
Bei der 1000m-Distanz haben wir eine Belastungszeit von ca. 3:30 – 3:50 Minuten, mit hohen Anforderungen an die Schnellkraftausdauer und Kraftausdauer. Jedoch dürfen hier auch die Maximalkraftanforderungen nicht unterschätzt werden. Schon allein deshalb, da diese als Basiskraft für alle anderen Kraftfähigkeiten zu definieren ist. Zudem wollen wir natürlich, dass unsere Sportler im Kraftausdauerbereich mit möglichst hohen Gewichten arbeiten können. Und das erreichen wir auch durch eine möglichst hohe Maximalkraft.
Somit sind die folgenden Krafttrainingsmittel zentral in der Kraftentwicklung von 1000 m-Fahrern:
– (Schnell-)Kraftausdauer
– Maximalkrafttraining
– Hypertrophietraining
Periodisierung im Jahresverlauf
In der folgenden Grafik habe ich jeweils eine beispielhafte Jahresperiodisierung für einen 200 m- sowie 1000 m-Fahrer aufgezeigt. Diese werde ich nun noch weiter erläutern. Bevor ich damit loslege, möchte ich aber noch einmal darauf hinweisen, dass dies nur eine Möglichkeit von vielen ist, wie wir das Krafttraining über das Jahr periodisieren können. Definitiv wird hier meine eigene Einstellung zum Krafttraining im Kanurennsport mit einfließen!
Eckdaten
Die Periodisierung bezieht sich auf einen Sportler, der in der aktuellen Saison 2011/2012 als Höhepunkt die Deutschen Meisterschaften (DM) hat. Als „Zwischenziel“ haben wir die Westdeutschen Meisterschaften (WDM), bei denen sich der Fahrer noch für die Wettkämpfe auf der DM qualifizieren muss. Die WDM findet am letzten Juni-Wochenende statt (29.06 – 01.07) und die DM Mitte August (14.-19.08). Der erste Wettkampf für unseren Sportler ist eine Regatta am vorletzten Aprilwochenende. So, und nun schauen wir mal, was wir aus diesen Eckdaten zaubern können:
Beispielhafte Periodisierung für einen 200 m-Fahrer
Beispielhafte Periodisierung für einen 1000 m-Fahrer
Last but not Least
Ich möchte hier noch einmal ganz deutlich darauf hinweisen, dass wir hier nur von einem theoretischen Modell der Periodisierung sprechen, welches viele in der Realität aufkommende Einflüsse nicht berücksichtig. Somit ist dies nicht als eine Optimallösung anzusehen, sondern eher als eine Grundlage, an der man sich orientieren kann.
Im Weiteren liste ich ein paar Dinge auf, die unsere Vorgehensweise in der Periodisierung weiter beeinflussen können:
– Die Witterungsbedingungen
Sobald ich im Winter ein paar Wochen nicht Paddeln gehen kann, aufgrund von Eis und Sonstigem, muss ich mein Training in der Unspezifik darauf anpassen.
– Krankheiten/Verletzungen
Wenn mein Sportler längere Trainingsausfälle hat, so kann meine Periodisierung unter Umständen vollkommen hinfällig werden, da mir teilweise Grundlagen aus einem Trainingsblock fehlen, die für den folgenden Block von Nöten sind.
– Trainingslager
Fährt mein Sportler beispielsweise in der kalten Winterzeit in ein Warmwassertrainingslager, so ist die Entwicklung der unspezifischen Kraftfähigkeiten in dieser Zeit eher zweitrangig, weil ich hier dann perfekte Möglichkeiten habe, viele Trainingskilometer auf dem Wasser zurück zu legen. Und die Spezifik hat natürlich immer Vorrang!
– Verpasste Trainingsziele
Wenn mein Sportler aus dem bisherigen Training nicht meine gewünschten Anpassungen erzielt hat, so muss ich meine Vorgehensweise nochmals überdenken, um nicht das Endziel zu verpassen.
– Unerwartete Änderungen im Saisonverlauf
Qualifiziert mein Sportler sich unerwartet für höhere internationale Wettkämpfe – oder andersherum, tut er es unerwartet nicht -, so muss ich nun auch meine Periodisierung auf die neuen Ziele anpassen.
Manuel Matzka