Es ist ein immenser Aufwand für den ganzen Körper eines Kanurennsportlers, das Paddel möglichst kraftvoll und schnell durch das Wasser zu bewegen. Daher führen Kanuten ein spezifisches Krafttraining durch, in dem z. B. der Widerstand erhöht wird, oder Sprints trainiert werden.
Krafttraining im Kanurennsport
Die Adern durchziehen das Gesicht, sie durchziehen die Arme. Der gesamte Körper ist unter Spannung, er arbeitet unter Hochdruck. Die Arme, der Rumpf, die Beine – Alles arbeitet im rhythmischen Wechsel gegen den Widerstand des Wassers. Die Bewegungen sind eingespielt, der Körper führt sie täglich immer und immer wieder beim Training aus. Man könnte meinen, dass es mit der Zeit immer einfacher wird, jedoch ist es auch nach Jahren noch immer ein immenser Aufwand. Schlag für Schlag arbeiten die Muskeln am Limit und würden sie hierauf nicht im täglichen Training vorbereitet, so würde der Sportler wahrscheinlich nicht über die für die Muskulatur höchst anspruchsvolle Startphase hinaus kommen.
Dass Kanurennsport als Kraftausdauersport ein Sport mit hohen Kraftanforderungen ist, sieht ein Außenstehender meist schon an den stark durchtrainierten Oberkörpern der Kanuten. Im Folgenden möchte ich nun erläutern, mit welchen Trainingsmethoden die Kanuten arbeiten, um überhaupt einen solchen Körper zu bekommen, der optimal für die sportlichen Anforderungen gerüstet ist.
Zunächst einmal müssen wir hier eine Trennung zwischen spezifischem Krafttraining im Boot und unspezifischem Krafttraining im Kraftraum (Krafttraining im Kanurennsport: Eine Einführung) vornehmen. Denn wir haben im Kanusport die Möglichkeit, auch im Boot selber erhöhte Kraftwiderstände zu erzeugen, die für ein Krafttraining dienen können. Der Vorteil hierbei ist, dass zum Einen die Kraftfähigkeiten trainiert werden, diese aber zum Anderen auch direkt mit den hohen technischen Anforderungen gekoppelt werden.
Spezifisches Krafttraining im Kanurennsport
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, den Kraftwiderstand zu erhöhen. So kann man beispielsweise dem Sportler ein längeres Paddel geben, um die Hebel zu vergrößern, mit denen er arbeiten muss. Oder man vergrößert die Blattflächen des Paddels, sodass die Angriffsfläche bei jedem Paddelschlag im Wasser größer wird. Diese beiden Methoden sind jedoch eher selten bis gar nicht genutzte Mittel, da Kanuten – genauso wie man es von Schwimmern oft hört – sehr stark von dem Wassergefühl abhängig sind, welches über das Paddel vermittelt wird. Um dieses Gefühl durch das Auswechseln des Paddels nicht zu gefährden, wird meist eine alternative Methode genutzt: Die Bremse.
Die Bremse
Die meistgenutzte Methode für ein spezifisches Krafttraining für Kanuten stellt die sogenannte Bremse dar. Hierbei wird eine Vorrichtung (Schnellspanner, Tennisball (vgl. Bild), etc.) unter dem Boot angebracht, die den Wasserwiderstand erhöht und das Boot bremst. Die Bremse sorgt dafür, dass die Gleitphase des Bootes erheblich gestört und verkürzt wird, sodass der Kanute mit jedem Schlag das Boot quasi fast wieder von Null aus beschleunigen muss. Er kann also nicht mehr durch die gute Gleitfähigkeit des Bootes Kräfte sparen, sondern müssen bei jedem Paddelschlag mit maximalem Krafteinsatz fahren, um das Tempo möglichst hoch zu halten.
Solche Bremsen kann sich jedermann selber bauen. Für bspw. die Tennisballbremse benötigt man lediglich einen alten Tennisball und einen Faden (vgl. Bild). Theoretisch sind der Phantasie beim Bau einer Bremse keine Grenzen gesetzt. Es kommt auch immer drauf an, wie stark die Bremse bremsen soll. Manchmal genügt ein einfacher Schnellspanner, der um das Boot gezogen wird. Ich habe aber auch schon ein dickes Tau, welches normalerweise Schiffe nutzen, um ein Boot gebunden gesehen.
Durch diese Variabilität können wir auch bei dem spezifischen Krafttraining zwischen Maximalkraft- und Kraftausdauertraining differenziert. Beim Maximalkrafttraining werden sehr große Bremsen am Kanu angebracht und oftmals werden hierzu auch noch Gewichte in das Boot gelegt, um den Widerstand noch weiter zu erhöhen. Hierbei werden Distanzen bis zu 100 m (bis ca. 20 Sek.) mit maximalem Tempo zurückgelegt. Im Kraftausdauerbereich werden geringere Widerstände gewählt und längere Strecken (i. d. R. 250 – 1000 m) in einem ruhigeren Tempo, aber trotzdem mit maximalem Krafteinsatz am Paddel, gefahren.
Das Schlagvortriebstraining als Krafttraining für unerfahrene Kanuten
Das spezifische Krafttraining wird im Allgemeinen erst ab dem Juniorenalter durchgeführt, da es eine stabile Technik als Grundlage benötigt. Durch die erhöhten Kraftanforderungen neigt ein Sportler schnell dazu, den Kräften mittels veränderter Technik auszuweichen. So kann es dazu kommen, dass der Sportler seine Technik verschlechtert, Fehlhaltungen entstehen und als Folge daraus kommt es zu Verletzungen. Eine stabile Technik ist für dieses Krafttraining unabdingbar. Hier müssen wir als Trainer also immer zunächst abwägen, ob die Technik ein solches Krafttraining zulässt. Manchmal muss man gegebenenfalls einsehen, dass mit dieser Trainingsform zu früh begonnen wurde und ein Schritt zurück gemacht werden, damit die Technik auf Dauer nicht darunter leidet.
Es gibt aber eine Möglichkeit, mit unerfahreneren Sportler mit noch nicht ganz so stabiler Technik, eine Art spezifisches Krafttraining auf dem Wasser durchzuführen. Das Stichwort hierfür lautet Schlagvortriebstraining. Das Ganze funktioniert ganz simpel und ohne Hilfsmittel.
Es geht darum, dass der Sportler seine ganze Konzentration auf jeden einzelnen Paddelschlag lenken soll. Jeder Paddelschlag soll mit maximalem Kraftaufwand durchgeführt werden. Es soll der größtmögliche Vortrieb pro Paddelschlag generiert werden. Dadurch wird die Schlagfrequenz deutlich herabgesenkt und somit legt das Boot pro durchgeführten Zug einen viel größeren Weg zurück.
Im Training durchgeführt läuft das Ganze dann bspw. folgendermaßen ab: Wir geben dem Sportler die Aufgabe, eine Strecke, z. B. 100 m, mit möglichst wenig Paddelschlägen zurückzulegen. Zur Kontrolle zählt der Sportler seine Schläge eigenständig und kann so auf Dauer auch Entwicklungen feststellen.
Diese Programme werden dann normalerweise innerhalb anderer Trainingsbereiche, abhängig von den Streckenlängen, gefahren. Wir können sie in kürzere Sprint- oder GA2- Programme verpacken. Aber wir können genauso gut auch längere GA1-Fahrten vortriebsbetont fahren lassen. Diese Programme werden dann normal nach den eigentlichen Belastungsnormativen gefahren, jedoch durch den erhöhten Krafteinsatz mit jeweils deutlich niedrigeren Frequenzen.
Sprints als Krafttraining
Eine weitere Möglichkeit, einen spezifischen Kraftreiz ohne zusätzliche Widerstände zu erzeugen, ist auch eine ganz einfache. Denn bedenken wir die hohen Kräfte, die beim Start aus der Ruhelage auf dem Paddel wirken, so wird schnell deutlich, dass gerade für die jüngeren Sportler schon allein kurze Sprints maximale Kraftreize für die Muskulatur darstellen. Wenn man diese dann noch weiter intensivieren will, ohne Widerstände nutzen zu müssen, so kann man die Sprints aus dem Rückwärtsfahren durchführen lassen. So ist die benötigte Kraft, um das Boot zunächst einmal allein in die Vorwärtsfahrt zu bringen, noch einiges größer. Allerdings steigen hier wiederum die technischen Anforderungen an die Sportler.