Warum wird Bergauflaufen Läufern so häufig empfohlen und was bewirkt ein solches Training wirklich? Wir gehen dieser Trainingsform für Sie einmal ganz genau auf den Grund.
Kann man durch bergauflaufen schneller werden?
Seit Jahrzehnten wird von Trainern und Autoren empfohlen, Bergaufläufe in das Lauftraining aufzunehmen. Vom Sprinter über den Mittelstreckenläufer bis hin zum Marathonläufer ist dieses Trainingsmittel bekannt und wird auch gerne angewendet.
Die Empfehlungen basieren im Wesentlichen auf einer Fülle positiver Erfahrungen von Läufern und ihren Trainern, die mit unterschiedlichen Zielstellungen Bergaufläufe in das Training einbauten. Wer selbst schon einmal bergauf gelaufen ist, kennt das Gefühl der Schwere in den Beinen, das sich unmittelbar nach Beginn eines Anstiegs einstellt.
Tradition oder Trainingsmethode?
Interessant ist, dass die verbreitete positive Einstellung gegenüber den Bergläufen aus einer Fülle von Erfahrungen von Weltklasseläufern und deren Trainern beruhen. Wie so oft sind Handlungsempfehlungen erfolgreicher Sportler und Trainer die Grundlage für die vielen Freizeitläufer.
Allerdings lassen sich unterschiedliche Zielsetzungen erkennen, wenn man sich die Quellen dieser Trainingsform einmal genauer anschaut.
Während einige Trainer die Wirkung eines Bergtrainings in der Kräftigung der Laufmuskeln – insbesondere der Beinstrecker – sehen, sind für andere Bergaufläufe eher ein Mittel, um intensiv zu trainieren und so Anpassungen der anaeroben Kapazitäten zu erreichen.
In den frühen 1970er Jahren wurde dem Bergauflaufen zudem eine Wirkung auf die Koordination zugeschrieben, da Geschwindigkeitsbarrieren vermeidbar sind und die Muskeln bewusster angespannt werden können.
Wirkungsgeflecht beim Berglauf?
Für Bergläufe, die meist in Intervalltrainingsform ausgeführt werden, gibt es unterschiedliche Anpassungen, auf die mit dieser Trainingsform abgezielt wird. Während Bergläufe einerseits eher als eine Variante des intensiven Intervalltrainings gesehen werden(1) und so eine Ausdauertrainingsform darstellen, sehen andere Autoren in den Bergläufen eine Möglichkeit, die Kraftausdauer zu steigern.(2)
Glaubt man älteren Quellen ist das Bergauflaufen als Form des Kraftausdauertrainings eine Möglichkeit, die „aerobe Kraftausdauer“ zu steigern.(4) Da es jedoch Grundsätzlich kein aerobes Kraftausdauertraining im Sport geben kann, ist dieser Trainingseffekt grundsätzlich in Frage zu stellen.(5)
Grundsätzliches zum Berglauf
Bergauflaufen und das Laufen in der Ebene unterscheiden sich sehr stark voneinander. Die elektrische Aktivierung der Muskulatur unterscheidet sich in der Ebene grundlegend von der bei einem Berglauf. Am Berg wiederum ist die Höhe der Aktivierung der einzelnen Muskeln abhängig vom Grad der Steigung.
Dabei verändert sich die Intensität der Beteiligung bestimmter Muskeln ebenso wie der Anteil der einzelnen Muskeln am Gesamtvortrieb. In einer frühen Studie zu dem Thema konnte gezeigt werden, dass der Zwillingswadenmuskel bei verschiedenen Steigungen ein ähnliches EMG-Muster zeigt, dass sich lediglich quantitativ etwas ändert.
Der gerade Anteil des Oberschenkelstreckers hingegen zeigt nicht allein eine stärkere Aktivierung, sondern ein komplett modifiziertes Innervationsmuster. Es ist also nicht allein die „Stärke“ des Abdrucks, sondern die gesamte Innervation verändert. Dieses Problem muss nun auf Ihr persönliches Laufziel übertragen werden.
Wenn Sie beispielsweise einen Start bei einem tendenziell bergigeren Marathon wie der Veranstaltung in Luxemburg anpeilen, sollten Sie Ihre Vorbereitung daraufhin anpassen. Laufen Sie hingegen am Rhein oder auf einer Tartanbahn, sind Steigungsläufe nicht unbedingt notwendig – es sei denn, Sie wollen etwas Abwechslung in Ihr Training bringen.
Wichtig zu beachten ist, dass Läufe auf einer Steigung von mehr als 20 % das Koordinationsmuster verfälschen, da der Beinstrecker deutlich stärker belastet wird als die Wadenmuskulatur. Bezogen auf die Intensität, lassen sich Intervalle auch wunderbar in Trainingsformen in der Ebene einbauen.
Was ist Krafttraining?
Dass ein klassisches Krafttraining mit freien Übungen wie der freien Kniebeuge, sich positiv auf das Laufen auswirken kann, bestätigte sich in verschiedenen sportwissenschaftlichen Untersuchungen. Als Effekte wurden dabei häufig Einflüsse auf die Schrittlänge und verschiedene Anpassungsprozesse auf der Ebene der neuronalen Aktivierung gefunden.
Sie profitieren als Läufer also weniger durch eine Wirkung des Krafttrainings auf den Muskelquerschnitt, sondern durch Anpassungen der nervalen Ansteuerung. Streng genommen kann dabei überhaupt erst dann von einem Krafttraining gesprochen werden, wenn Sie mit einem Widerstand von mindestens 50 % der maximal möglichen Kraft, die Ihr Muskel entfalten kann, trainieren. Anpassungen an geringere Widerstände sind Ausdauertrainingseffekte und nicht mehr der Kraft zuzuordnen.
Bergauflaufen kann per se schon einmal keine Krafttrainingswirkung zugeschrieben werden. Das gilt auch für Zugwiderstandsläufe und ähnliche Trainingsmethoden. Ein spezifisches Krafttraining für Läufer muss nicht „laufend“ durchgeführt werden, sondern in einem Kraftraum – zumindest wenn es im Einzelfall erwünscht ist. Kraft kann nur im Kraftraum trainiert werden, auch wenn vielen anderen Übungen ebenfalls „Krafttrainingseffekte“ zugeschrieben werden.
Bergläufe sind kein Krafttraining!
Auch wenn Sie das Gefühl haben sollten, bergauf „mehr Kraft“ einsetzen zu müssen, lässt sich die Kraft adäquat nur im Kraftraum trainieren. Bergaufläufe mit Steigungen von 20 % oder weniger führen zwar zu einer stärkeren Aktivierung der Muskulatur, sind jedoch nicht mit einem Krafttraining vergleichbar. Der Reiz, den ein „Einzelkraftstoß“, also ein Abdruck beim Laufen, erzeugt, ist einfach zu gering, um entsprechende Anpassungen zu erzeugen.
Die Intention, dass Sie Ihre Beinmuskulatur so kräftigen können, lässt sich demnach nicht verwirklichen. Das bedeutet im Umkehrschluss jedoch nicht, dass Sie unbedingt ein Krafttraining in Ihr Trainingsprogramm einbauen müssen. Ein solches kann zwar eine Leistungsreserve für jeden Läufer darstellen, gehört aber keineswegs zum Pflichtprogramm.
Intensives Bergtraining?
Wenn Sie mit Bergläufen intensives Training zum Ziel haben, sollten Sie die beschriebenen koordinativen Aspekte nicht vernachlässigen. Zwar können am Berg verschiedene Formen von Intervalltraining durchgeführt werden, Unterschiede im Aktivieren Ihrer Beinmuskulatur können die Effekte jedoch möglicherweise zu spezifisch gestalten.
Das bedeutet, dass Sie zwar besser bergauf laufen können, sich Ihre Leistung in der Ebene jedoch nicht steigert. Bezogen auf die Muskelaktivierung ist diese These sehr wahrscheinlich. Wenn es jedoch rein um das Betrachten der Energiebereitstellung geht, können Begläufe durchaus ein interessantes Trainingsmittel sein. Am Berg lässt sich zumindest ein hochintensives Training durchführen. Inwiefern sich die physiologische Wirkung jedoch von Intervalläufen in der Ebene unterscheidet, bleibt unklar!
Das reine Entwickeln Ihrer anaeroben Kapazitäten funktioniert unabhängig vom Untergrund und wird allein von Ihrer Laufintensität bestimmt. Die Wirkungen sind vielfältig und durchaus auch für Marathonläufer von Interesse. Grundlegend kann also ein intensives Intervalltraining empfohlen werden. Ob dieses unbedingt am Berg durchgeführt werden muss, kann in Frage gestellt werden.
Unterschiede von Bergläufen in Ebene und am Berg
Beim Bergauflaufen unterscheiden sich die koordinativen Abläufe im Körper stark vom Laufen in der Ebene. Muskeln werden in der Aktivierung unterschiedlich gewichtet und unterschiedlich stark beansprucht. Auf der einen Seite sprechen diese Befunde gegen ein Bergtraining, wenn das Ziel ein Lauf im Flachen ist. Auf der anderen Seite sollten Läufer, die an bergigen Läufen teilnehmen möchten, durchaus in der Vorbereitung bergig laufen.
Verabschieden müssen Sie sich jedoch von der Vorstellung, ganz spezielle Trainingsanpassungen durch Bergtraining erreichen zu können. Weder Ihre Kraft noch intensive Trainingsinhalte lassen sich am Berg besonders effektiv trainieren. Grundsätzlich kann es kein aerobes Kraftausdauertraining geben, so dass die proklamierten Effekte insbesondere angesichts der beschriebenen Aktivierungseigenschaften zu vernachlässigen sind.
Wenn Sie jedoch einmal alte Strukturen aufbrechen und einfach Abwechslung in Ihr Training einbringen wollen, können Sie gerne auch am Berg trainieren. Derzeit entwickeln sich hier interessante neue Wettkampffelder, da das Trailrunning – das Laufen auf natürlichen Wegen – insbesondere in den Bergen einen wahren Boom erlebt. Hier ist das Bergauflaufen eine spezifische Trainingsform, die ebenso wie das Bergablaufen in das Training eingebaut werden muss.
Bergläufe für Training und Wettkampf
Wenn Sie also in den Bergen laufen, sollten Sie auch in den Bergen trainieren. Läufer, die in der Ebene einen Wettkampf laufen, trainieren auch bevorzugt in der Ebene. Das selbe gilt auch für den Untergrund: Wenn Sie die Teilnahme an einem Stadtmarathon planen, sollten Sie Ihr Training im Schwerpunkt auch auf Asphalt absolvieren.
Die Anpassungen Ihres Körpers müssen eben grundsätzlich auf Ihr Trainingsziel ausgerichtet werden. Möchten Sie hingegen das Ziel verfolgen Ihre Kraft zu steigern, sind Läufe am Berg nicht zielführend. Krafttraining benötigt immer Lasten und kann nur über ein Krafttraining erfolgreich umgesetzt werden. Läufer greifen hier ebenso wie andere Ausdauersportler auf ein Training zurück, das im Wesentlichen aus Übungen mit der Langhantel besteht.
Auch Läufer profitieren von Krafttrainingsformen, bei denen die Kniebeuge im Zentrum der Einheit steht. Studien konnten hier auch auf der Langstrecke positive Effekte nachweisen. Krafttraining für Läufer sollte hingegen nicht in Form von Zugwiederstandsläufen oder Bergläufen umgesetzt werden. Diese Methoden wirken aufgrund der geringen Einzelkraftstöße immer alleine auf der Ebene der Energiebereitstellung, ohne jedoch Einflussgrößen der Kraft anzusprechen. Ist ein einzelner Kraftimpuls zu gering, sind Anpassungen weder auf neuromuskulärer Ebene noch auf Ebene der tendomuskulären Anpassungen zu erwarten.
Alternatives Lauftraining
Bergtraining bleibt eine interessante Alternative für Läufer, die Abwechslung suchen und ihrem Körper immer wieder alternative Belastungen angedeihen wollen. Hier liegt wohl die große Stärke von Bergläufen, denn das Vermeiden monotoner und stets gleich bleibender Belastungen sollte im Vordergrund einer intelligenten und individuellen Trainingsplanung liegen.
Zu diesem Zweck lassen sich neben den Bergläufen am Anstieg auch Bergabläufe einsetzen. Auch hier sind veränderte EMG Aktivierungen im Vergleich zum Laufen in der Ebene erkennbar. Aufgrund der exzentrischen Belastung beim Abfangen treten zudem viel höhrere muskuläre Spannungen auf. Im Vordergrund steht jedoch weniger die muskuläre Wirkung als viel mehr die motorischen Anpassungen. Läufer mit sehr hohen Grundlagenanteilen sind oft in der Schrittfrequenz stark eingefahren. Bei Bergabläufen werden Sie gezwungen, höhere Freuquenzen zu laufen.
Auch dies ist in erster Linie ein Trainingsmittel, mit dem es gelingen kann Abwechslung zu generieren und so neue Trainingsreize zu erzeugen! Allerdings sind Bergabläufe gerade für anfällige Sportler mit Vorsicht zu genießen. Aufgrund der hohen Belastungen sind Verletzungen an der Muskulatur oder den passiven Strukturen leicht möglich. Der Kern Ihres Trainings sollte also weiterhin aus Trainingseinheiten in der Ebene bestehen. Nur so legen Sie die wichtigen Grundlagen für Ihren Lauferfolg!
Tipps für Ihr Training
– Trainieren Sie Bergläufe nur dann, wenn Sie auch im Wettkampf Berge laufen.
– Intensitäten sind über Intervalle trainierbar – Bergläufe sind nicht unbedingt notwendig.
– Kraft steigern Sie am besten durch ergänzendes Krafttraining.
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Dennis Sandig
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Literaturangaben:
1. Noakes, T. (2002). Lore of Running. Human Kinetics: Champaign.
2. Schiffer & Sperlich (2008), Einführung in das Ausdauertraining. Sportverlag Strauß: Köln.
3. Schurr, S. (2003), Leistungsdiagnostik und Trainingssteuerung im Ausdauersport. Books on Demand: Norderstedt.
4. Neumann, G. (1991), Erhöhung des aeroben Kraftausdauertrainings (Ausdauertraining gegen erhöhte Widerstände). In: M. Reiß & U. Pfeiffer (Hrsg.), Leistungsreserven im Ausdauertraining: erfolgreiche Trainingsstrategien mit Beispiellösungen im Sportschwimmen, Rudern, Radsport, Leichtathletik, Lauf/Gehen und Eisschnellauf. Sportverlag: Berlin.
5. Wagner, A., Mühlenhoff, S. & Sandig, D. (2010), Krafttraining im Radsport. Elsevier: München.
6. Leistungssport, 1981, Bd. 11 (5). S. 350–356.