Im zweiten Teil des Gesprächs mit trainingsworld.com spricht die erfolgreiche Marathon- und Ultramarathonläuferin Birgit Lennartz-Lohrengel über die Gefahr einer zu kurzen Marathon-Vorbereitung, den Spaß an Training und Körpergefühl, das Piriformis Syndrom und Ihr schlimmstes Erlebnis.
trainingsworld.com: Wie stehen Sie zu dem großen Run auf die Marathons und die deutlich gewachsene Laufszene?
Birgit Lennartz-Lohrengel:
ist Laufen etwas sehr positives. Aber: Das Gesunde am Marathon ist das Training dafür, nicht der Lauf an sich. Ein Marathon benötigt intensive Vorbereitung. Schließlich passt sich das Herz-Kreislaufsystem schnell an, Muskeln und Sehnen brauchen etwas länger – aber gerade der Stützapparat dauert lange und macht natürlich vielen Läufern Probleme.
Es muss ja nicht immer der Marathon sein. 10 km oder Halbmarathon sind auch super. Ich sage immer: „Trainiert für den Marathon und meldet Euch im letzten Moment für den Halbmarathon an!“ (Welche ist die richtige Laufveranstaltung für mich?)
Menschen lieben aber das Extreme. Letztendlich fehlt oft das gesunde Maß. Ich kann zum Beispiel ein Stück Schokolade essen, es muss ja nicht gleich eine 300 Gramm Tafel sein. Genauso ist das mit dem Laufen.
trainingsworld.com: Was würden Sie Laufeinsteigern und Hobby-Läufern empfehlen?
Birgit Lennartz-Lohrengel: Sie sollen erst einmal Spaß und Freude am Laufen entwickeln und sich nicht gleich dem Stress aussetzen, in einem Jahr einen Marathon laufen zu wollen. Das kann wirklich Stress sein. Zunächst einmal muss man lernen, seinen Körper einzuschätzen und ein Körpergefühl zu entwickeln. Das haben viele Menschen heutzutage gar nicht mehr. Daher wird sich auf die Technik verlassen. Aber jeder Mensch ist individuell und muss seinen Weg finden.
Ich laufe zum Beispiel auch ohne Pulsuhr. Das war halt immer so. Früher hab es solche Dinge noch gar nicht. Allenfalls eine Stoppuhr. Heute schauen viele Leute alle paar Meter auf ihre Pulsuhr. Da ist doch nichts. Wichtig ist doch, dass man ein Gefühl für seinen Körper und das Tempo entwickelt und in sich reinhorcht. Ausdauer entwickelt man dann normalerweise von ganz alleine.
Ich wurde von meinem Vater langsam ans Laufen herangeführt und mein Bewegungsapparat konnte sich langsam an die Steigerungen gewöhnen. Daher habe ich außer leichten Muskelproblemen auch keine Beschwerden.
trainingsworld.com: Sie sprechen es an. Bei einem Laufpensum wie Ihrem erwartet man, dass sich ein gewisser Verschleiß einstellt…
Birgit Lennartz-Lohrengel:
Probleme hatte ich eigentlich nie. Bis ich mal einen Unfall hatte und mir das Schlüsselbein brach. Das musste genagelt werden. Dadurch ist mein Lauf irgendwie aus der Balance gekommen und ich bekam zunächst Probleme mit der Muskulatur auf der Oberschenkelrückseite, was heute oft unter dem wenig greifbaren Begriff Piriformis Syndrom gefasst wird. Als der Nagel entfernt wurde, wurde dies wieder besser, aber den Leistungsstand von vor dem Unfall habe ich leider nicht mehr erreicht. Die muskulären Probleme sind seither meine Schwachstellte geblieben, aber ich kann relativ schmerzfrei laufen.
trainingsworld.com: Wie schwer war bzw. ist eine Zeit ohne Laufen?
Birgit Lennartz-Lohrengel: Auch wenn ich viele andere Dinge mache, gibt es aus meiner Sicht keinen Ersatz für das Laufen. Mir hat das während meiner Verletzung schon gefehlt. Es bewegt den ganzen Körper. Schließlich muss man bei jedem Schritt das ganze Körpergewicht anheben.
Wichtig ist auch, dass man beim Laufen durch Fleiß viel erreichen kann. Und letztendlich benötigt man nur ein Paar Schuhe und schon kann’s losgehen.
trainingsworld.com: Nur ein paar Schuhe? Da gibt es heute aber eine große Auswahl…
Birgit Lennartz-Lohrengel: Ja, heute ist das nicht mehr so einfach. Da gib es zahlreiche Schuhhersteller und man muss sich überlegen, welche man nimmt. Auch Funktions-Laufsachen und Laufschuhe. Das ist ja mittlerweile eine richtig große Industrie. Wir hatten ganz normal T-Shirts oder auch mal Trainingshosen abgeschnitten, wenn wir eine halblange Hose brauchten. Es war ja schon was besonderes als das erste Netzhemd heraus kam. Damals gab es mit Brütting einen Laufschuh-Hersteller. Das waren aber auch die besten Schuhe.
trainingsworld.com: Es ist kaum vorstellbar, dass Sie In 1.700 Wettkämpfen und dem langen Training kein wirklich schlimmes Problem hatten?
Birgit Lennartz-Lohrengel: Eines hatte ich, aber das war eher ein Unglück. Mein schlimmstes Erlebnis war ein Schlaganfall im Jahr 1997. Ich habe im Höhentraining nach einer Einheit von ca 7 bis 8 Stunden etwas falsches – gar nicht mal zu wenig – getrunken. Nach dem Training wurde ich am Hals massiert, wobei sich ein leichter Thrombus gelöst hat. Das war an einem Sonntag Abend. Ich hatte Glück, das im Klinikum noch die Spezialisten vor Ort
werden. Die haben einen Katheter gelegt und den Thrombus direkt aufgelöst, so dass keine Folgeschäden geblieben sind.
trainingsworld.com: Frau Lennartz-Lohrengel, wir danken Ihnen für das interessante Gespräch!