Freizeitbergwanderer, die sich während ihrer Wanderung eingeschränkt verpflegen, können eher einem erhöhten Verletzungsrisiko sowie der Unterkühlung und Müdigkeit ausgesetzt sein. Dies sind die Ergebnisse einer Studie, entstanden in britisch-kanadischer Kooperation.
Bergwandern gehört zu den Ausdauersportarten, die tendenziell eine negative Energiebilanz erzeugen. Studien unter Soldaten deuten darauf hin, dass sich nur sehr schwerwiegende Energiedefizite negativ auf die Leistung auswirken. Beim Bergwandern handelt es sich jedoch um eine Freizeitsportart, die eine breite Zielgruppe der unterschiedlichsten Altersklassen und unterschiedlicher Fitness anzieht, für die Energiedefizite schwerwiegendere Folgen nach sich ziehen können.
Der Versuch
Die aktuelle Studie sollte vergleichen, wie sich hohe und niedrige Energiezufuhren auf die für die Sicherheit der Bergwanderer relevanten Körperreaktionen, wie u. a. die thermische Belastungen, Leistung, Stimmungslage sowie die Blutglukosewerte, auswirken.
16 männliche Testpersonen – alles aktive und erfahrene Bergwanderer – absolvierten anstrengende Bergwanderungen über 21 km mit jeweils unterschiedlicher Verpflegung:
- niedrige Energieaufnahme, bestehend aus Snacks mit insgesamt 616 Kalorien
- hohe Energieaufnahme, bestehend aus ähnlichen Snacks mit insgesamt 3.019 Kalorien
Die Testpersonen erhielten vor beiden Wanderungen ein Standardfrühstück mit 595 Kalorien. Die beiden Verpflegungsrationen während der Wanderung enthielten einen ähnlichen Anteil an Makronährstoffen und waren in drei gleich große Portionen aufgeteilt. Die Teilnehmer wurden dazu angehalten, jeweils eine Portion bei Kilometer 7 und 14 sowie die letzte Portion gegen Ende der Wanderung zu sich zu nehmen. Unter beiden Testbedingungen wurden die Wanderer angewiesen, pro Stunde ca. 400 ml Wasser zu trinken.
Alle Testpersonen absolvierten die Wanderung in einer durchschnittlichen Dauer von 7 Std. 28 Min., wobei unter beiden Verpflegungsbedingungen gleiche Ergebnisse erzielt wurden. Die Zeitunterschiede waren hauptsächlich auf unterschiedliche Wetter- und Geländebedingungen zurückzuführen, da 10 Testpersonen beide Wanderungen bei durchgehend nassem und windigem Wetter absolvieren mussten.
Die Ergebnisse
Die Hauptunterschiede zwischen den Verpflegungsbedingungen ergaben sich wie folgt:
- Bei den Wanderern mit geringer Energiezufuhr zeichnete sich ein klarer Trend hin zu einer niedrigeren Körpertemperatur ab; dieser war jedoch nur bei den nassen und windigen Wetterbedingungen von Bedeutung.
- Bei den Leistungsbereichmessungen, die vor und nach den Wanderungen durchgeführt wurden, waren lediglich eine verbesserte Reaktionszeit der Gruppe mit hoher Energiezufuhr sowie eine Verschlechterung des Gleichgewichts in der Gruppe mit niedriger Energiezufuhr von Bedeutung.
- Unter den Probanden die mit niedriger Energiezufuhr wanderten, zeigten 9 der 16 Testpersonen deutliche Verhaltensauffälligkeiten – inkl. Testabbruch, Verlangsamung und, in wenigen Fällen, Aggressionen während des Wanderns, insbesondere nach den ersten 10 Kilometern. Diese Anzeichen werden generell als erste Belastungssymptome sowie als Anzeichen für Hypoglykämie (Unterzuckerung) angesehen und konnten hauptsächlich bei den schlechten Wetterbedingungen beobachtet werden.
- 4 Testpersonen mit niedriger Energiezufuhr zogen sich während der Wanderung geringfügige Verletzungen zu. Bei den Wanderungen mit hoher Energiezufuhr passierte dies nicht.
- Nach der Wanderung genommene Blutproben ergaben bei den Wanderern mit niedriger Energiezufuhr eine erhöhte Fettmobilisierung, eine höhere hormonelle Stressreaktion sowie deutlich niedrigere Glukosewerte im Blut.
Die Wissenschaftler vermuten einen Zusammenhang zwischen dem Glukoseabbau und den bei den Wanderern mit niedriger Energiezufuhr aufgetretenen Verletzungen. „Es gibt einige Anzeichen dafür“, so heben sie hervor, „dass die niedrigen Muskelglykogenwerte – so wie man es bei niedriger Energieaufnahme vermuten mag – im Zusammenhang mit einer erhöhten Verletzungsgefahr bei Alpin-Skifahrern stehen, insbesondere bei Freizeitskifahrern. Dies kann damit erklärt werden, dass der Glykogenabbau in den schnellen Muskelfasern die Fähigkeit der Muskeln verringert, innerhalb kurzer Zeit eine hohe Spannung aufzubauen (welche zur Korrektur falscher Schwünge oder eines schlechten Timings benötigt wird). Das körperliche Unvermögen, falsche Bewegungen zu korrigieren, führt zu einem erhöhten Verletzungsrisiko. Der Zusammenhang zwischen niedrigen Muskelglykogenwerten und dem physischen Unvermögen, Bewegungen auszugleichen, könnte sehr gut durch die Beeinträchtigung des Gleichgewichts verursacht werden.“
Sie schließen daraus, dass “ das sichere Aktionsvermögen von Personen mit niedriger Energieaufnahme in bergigem Gelände eingeschränkt ist. Obwohl die Beeinträchtigungen bei niedriger Energieaufnahme … relativ gemäßigt ausfielen, so könnten sie doch eine Rolle im Hinblick auf die Müdigkeits- und Verletzungsanfälligkeit bei Outdoor-Aktivitäten spielen.“
Quellenangabe
Journal of Applied Physiology, 2003, Bd. 94, S. 1075-1083