Ernährung nach Sportverletzungen. Wenn Sportler sich verletzen, wird ein wichtiger Aspekt des Heilungsprozesses oft vernachlässigt – die Ernährung. Es gibt zwar reichlich Literatur über die richtige Ernährung bei Verletzungen, doch überraschend wenig basiert direkt auf aktuellen wissenschaftlichen Untersuchungen.
Ernährung nach Sportverletzungen
Athleten, die sich bei ihren sportlichen Aktivitäten eine belastungsinduzierte Verletzung zugezogen haben, können oft nicht optimal trainieren und somit auch nicht den gewünschten Erfolg im Wettkampf erreichen. Schon allein die Möglichkeit einer solchen Verletzung hält daher viele davon ab, Sport zu treiben und etwas für die Gesundheit zu tun.
Eine rasche Regeneration nach einer Sportverletzung ist daher für Profis wie auch Freizeitsportler absolut wichtig. Um die Erholung zu beschleunigen, kurieren sich Sportler nach einer Verletzung in der Regel mit Ruhigstellung, Kühlung, Dehnung etc. aus, und übersehen dabei häufig die Bedeutung der Ernährung. In diesem Artikel geht es daher hauptsächlich um die Ernährung und akute/traumatische Sportverletzungen sowie Probleme in Zusammenhang mit der Unbeweglichkeit von Gliedmaßen.
Die Verletzungsphasen
Belastungsinduzierte Verletzungen durchlaufen in der Regel zwei Hauptphasen. Und beide können durch die Ernährung beeinflusst werden.
1. Phase: Immobilität/Atrophie (Unbeweglichkeit/ Abbau von Muskeln und Sehnen) – Je nach Art und Schwere der Verletzung dauert die Phase der Immobilität einige Tage bis mehrere Monate. Aufgrund der Inaktivität kommt es in dieser Zeit zu Stoffwechselveränderungen im Gewebe, die zu Kraft- und Funktionsverlust führen (s. Abb. 1). Dass solche funktionellen Probleme durch den Muskelabbau entstehen, ist allgemein bekannt. In letzter Zeit haben sich Wissenschaftler daher zunehmend mit anderem Gewebe, wie z. B. den Sehnen, befasst.
2. Phase: Rehabilitation und erhöhte Aktivität der verletzten Gliedmaßen – Diese Phase folgt, sobald sich die Mobilität wieder eingestellt hat. Dabei kommt es zum Muskelaufbau und zur Rückkehr der Funktionalität. Die völlige Wiederherstellung von Kraft und Funktion nach einer verletzungsinduzierten Immobilität dauert leider wesentlich länger als der Abbauprozess.
Die optimale Ernährung sieht in diesen beiden Phasen in etwa gleich aus, allerdings müssen Sie hierbei einige wichtige Unterschiede berücksichtigen.
Abbildung 1 zeigt die Veränderungen, die sich infolge einer belastungsinduzierten Verletzung hinsichtlich des Stoffwechsels und der Funktionen ergeben. Eine verminderte Proteinbildung in Muskeln und Sehnen sowie eine verminderte Stimulierung durch Aminosäuren führt zu einem raschen und dramatischen Abbau von Muskelgröße und -kraft, Sehnenstruktur und Funktion. Hier (sowie in Abb. 2) stehen Doppelpfeile nach unten für eine starke Abnahme, Einzelpfeile nach unten für eine geringe Abnahme. Einzelpfeile nach oben signalisieren eine geringe Zunahme und Doppelpfeile nach oben eine starke Zunahme. Gepunktete Pfeile zwischen den Feldern zeigen eine weniger starke Beziehung zwischen Ursache und Wirkung an.
Kann die Entzündungsreaktion verringert werden?
Sofort nach einer schweren Verletzung stellt sich eine Entzündungsreaktion ein, die für einen guten Heilungsprozess auch erforderlich ist. Die Dauer der Entzündungsphase richtet sich nach der Art und Schwere der Verletzung und schwankt zwischen mehreren Stunden und mehreren Tagen. Aber wie so oft ist auch hierbei allzu viel ungesund. Daher wird häufig empfohlen, die Entzündungsreaktion (mittels entzündungshemmender Mittel etc.) zu verringern. Doch da eine Entzündung für einen guten Heilungsverlauf entscheidend sein kann, wäre eine künstliche Hemmung der Entzündung eher unklug.
Demzufolge scheint es sinnvoll, eine übermäßige Entzündung zu vermeiden. Ernährungswissenschaftler empfehlen daher, nach einer Verletzung möglichst nicht zu große Mengen an Omega-6-Fetten zu verzehren. Aber diese Empfehlungen basieren scheinbar ausschließlich auf Reagenzglasstudien. Angesichts dieser Einschränkung kann die Auffassung, eine Entzündung lasse sich durch Zufuhr von mehr Omega-3-Fetten und weniger Omega-6-Fetten verringern, zunächst nur als vorläufiger Ansatz betrachtet werden.
Helfen Omega-3-Fette gegen Entzündungen?
Omega-3-Fette kommen hauptsächlich in Fischöl, Leinsamenöl, Walnüssen etc. vor, daher wird häufig eine entsprechende Nahrungsergänzung empfohlen. Omega-6-Fette sind im Allgemeinen in Pflanzenölen wie Maiskeimöl, Sonnenblumenöl etc. enthalten. Da weder die Wirkmechanismen des Entzündungsprozesses in ihrem ganzen Umfang bekannt sind, noch mit Sicherheit gesagt werden kann, dass der Entzündungsprozess nach einer Verletzung reduziert wird, wenn mehr Omega-3- als Omega-6-Fettsäuren über die Nahrung aufgenommen werden, können hier keine zuverlässigen Empfehlungen ausgesprochen werden.
Die wahrscheinlich beste Methode dürfte das Prinzip einer Schadensvermeidung oder Risiko-Nutzen-Abwägung sein. Weniger Sonnenblumen-, Maiskeim- oder Baumwollsamenöl über die Nahrung aufzunehmen ist z. B. kein großer Verzicht. Und wenn die Vermutung stimmt, können Sie dadurch eine übermäßige Entzündung nach einer Verletzung verhindern.
Muskelschwund als Folge der Unbeweglichkeit
In Phasen der Unbeweglichkeit kommt es zu einem Verlust von Muskelmasse. Diese Veränderung ist sehr deutlich zu bemerken und führt zu einer verminderten Muskelfunktion. Ein rascher Muskelschwund entsteht demnach durch Inaktivität. Von der Stoffwechselseite her ist für den Muskelverlust hauptsächlich der Abbau von Muskelprotein, insbesondere die verminderte Bildung myofibrillärer Proteine, verantwortlich. Interessant und für viele vielleicht überraschend ist die Tatsache, dass der Proteinabbau ebenfalls abnimmt. Es wird mehr Muskelprotein abgebaut als aufgebaut, was zu einer negativen Proteinbilanz im Muskel führt.
Die Muskelproteinbilanz ist der Stoffwechselfaktor, der für eine Veränderung der Muskelmasse verantwortlich ist. Ist die Netto-Muskelproteinbilanz über einen bestimmten Zeitraum negativ, bedeutet dies den Verlust von Muskelprotein. Um die Phasen mit negativer Muskelproteinbilanz zu minimieren, sollte daher bei der Ernährung auf eine möglichst geringe Abnahme der Bildung von Muskelprotein geachtet werden.
Eine verstärkte Proteinzufuhr
Eine verstärkte Proteinzufuhr ist häufig die erste Gegenmaßnahme, um einen Muskelschwund zu vermeiden. Es ist bekannt, dass die Zufuhr von Protein oder essenziellen Aminosäuren die Bildung von Muskelprotein sowohl in Ruhe als auch nach sportlicher Aktivität fördern, was zu einer positiven Muskelproteinbilanz führt. Bei Inaktivität hat die orale Zufuhr von Protein jedoch nicht unbedingt die gleiche Wirkung.
Frühere Studien an älteren Teilnehmern zeigten, dass die Muskeln gegen den anabolen – d. h. den Aufbaustoffwechel fördernden – Reiz von Aminosäuren resistent sind. Eine neuere Untersuchung von Forschern der McMaster-Universität in Kanada ergab, dass im Falle einer Immobilität die Fähigkeit der myofibrillären Proteine, auf Aminosäuren zu reagieren, reduziert ist.(1)
Die Unbeweglichkeit führt folglich nicht nur zu einer Abnahme der basalen Werte für die Bildung von Muskelprotein, sondern bewirkt auch, dass die Muskeln nicht mehr richtig auf die Proteinzufuhr reagieren. Was den Erhalt der Muskelmasse anbelangt, hat eine vermehrte orale Proteinzufuhr während sportlicher Inaktivität daher nicht unbedingt die Wirkung, die man aufgrund von Studien in Zusammenhang mit aktiver, gesunder Muskulatur erwarten könnte.
Der Einfluss von Protein auf die Muskelmasse
Eine größere Proteinzufuhr hat demnach offensichtlich wenig Einfluss auf den Verlust von Muskelmasse und Kraft bei inaktiven Muskeln (auch anabole Resistenz genannt). Es gibt jedoch eine andere Möglichkeit, mit der diese Resistenz, zumindest potenziell, gesenkt werden kann. In Zellkulturen und Studien mit Ratten hat sich gezeigt, dass Leucin (eine Aminosäure, die als Baustein für Proteine dient) die Proteinbildung fördert. Auf den Muskelaufbau hat das Leucin zwar nur eine geringe Wirkung, aber es trägt dazu bei, die anabole Resistenz der Muskelproteinbildung zu überwinden.
Aus Studien an älteren Menschen geht hervor, dass die anabole Resistenz überwunden werden kann, indem der Leucingehalt der zugeführten Aminosäuren erhöht wird.(2) Um die Wirkung von Leucin auf die Muskelproteinbildung zu untersuchen, wurde bei den Studien an Ratten ein kataboles Modell verwendet. Das heißt, dass die Muskelproteinbildung verringert ist. Durch die orale Zufuhr von Leucin wird sie in der Regel wieder auf ein normales Maß erhöht. Zusammen betrachtet zeigen diese Studien, dass die anabolen Signalwege in den Muskeln in diesen „katabolen Zuständen“ blockiert sind, was zu einer Abnahme der Proteinbildung führt.
Doch bislang hat keine Studie konkret untersucht, welche Folgen es für die Muskelproteinbildung und den Muskelverlust bei unbeweglich gewordenen menschlichen Muskeln hat, wenn zusammen mit dem Protein zusätzlich Leucin zugeführt wird. Dieser Aspekt wäre sicher interessant und eine Untersuchung wert. Die Menge an Leucin im Verhältnis zum Protein sowie andere Details einer solchen Intervention müssten natürlich experimentell ermittelt werden.
Die Rolle der Energiezufuhr während der Rehabilitation
Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt bei verletzungsbedingter Immobilität ist die Gesamtenergieaufnahme (d. h. der Kalorienverbrauch). Bei Unbeweglichkeit nimmt der Gesamtenergieverbrauch zwangsläufig ab. Je nachdem, welche Gliedmaßen davon betroffen sind, kommt es zu einer erheblichen Abnahme des Gesamtenergieverbrauchs, weil eine sportliche Aktivität während dieser Zeit schwer zu bewerkstelligen oder ungünstig ist. Zudem kann ein reduzierter Proteinumsatz in geringem Maße auch zu einer Abnahme des Energieverbrauchs führen.
Sowohl die Bildung als auch der Abbau von Muskelprotein sind Prozesse, bei denen Energie verbraucht wird. Werden diese Vorgänge infolge einer Verletzung unterdrückt, kann es zu einer weiteren Reduzierung des Energiebedarfs kommen. Um eine Gewichtszunahme zu vermeiden, müssen viele verletzte Sportler ihre Energiezufuhr reduzieren.
Diese Faktoren sollten Sie berücksichtigen
Hierbei sind jedoch einige Faktoren zu berücksichtigen. Zum einen ist klar, dass der Energieverbrauch während des Heilungsprozesses um 20 % erhöht ist, vor allem anfangs und bei schweren Verletzungen. Doch auch wenn der Energieverbrauch insgesamt reduziert werden sollte, muss dies nicht immer eine gravierende Kalorienbeschränkung bedeuten.
Bei der Kalorienzufuhr spielen noch andere Aspekte eine Rolle, z. B. der Energieaufwand bei der Fortbewegung. Wenn Sie sich nach einer Verletzung an Krücken bewegen müssen, kann der Energieverbrauch um das 2- bis 3-fache größer sein als bei normalem Laufen. Je nachdem, wie viel ein verletzter Sportler an Krücken läuft, muss die Energiezufuhr möglicherweise gar nicht mehr so sehr eingeschränkt werden.
Die Energiezufuhr bei Immobilität kann aber auch die Muskelproteinbildung beeinflussen. Hierbei ist darauf zu achten, dass die Kalorienzufuhr nicht so stark eingeschränkt wird, dass die Muskelproteinbildung nicht mehr optimal ablaufen kann. Eine Abnahme der Muskelproteinbildung ist nämlich die Hauptursache für einen Muskelabbau. Am besten versuchen Sie daher, hier ein gutes Gleichgewicht zu finden. Meiner Ansicht nach sollte man eher eine leichte Gewichtszunahme in Kauf nehmen, als sich zu wenig Kalorien zuzuführen. So sorgen Sie für einen guten Heilungsverlauf der Muskeln und begrenzen den Abbau von Muskelprotein.
Regeneration: Phasen der Inaktivität
In Phasen der Inaktivität steht meistens zwar der Muskelabbau im Mittelpunkt, aber auch Sehnen und Bänder können bei einer Unbeweglichkeit in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Sehnen bestehen im Wesentlichen aus dem Bindegewebseiweiß Kollagen. Die Immobilität führt zu Änderungen der mechanischen Eigenschaften von Sehnen, was mit einer Abnahme der Kollagenbildung in den Sehnen verbunden ist.(3)
Über den Einfluss der Ernährung auf die Stoffwechselsituation in den Sehnen weiß man nur sehr wenig. Wir wissen z. B., dass das Ausmaß der Kollagenbildung in den Sehnen und Muskeln nicht von einer verstärkten Aminosäurenaufnahme (aus Protein) abhängig ist, was vermuten lässt, dass eine Proteinergänzungsnahrung keine große Wirkung auf die Sehnen hätte.(4) Hingegen spricht die Kollagenbildung im Knochen (eine wichtige Voraussetzung für die Heilung des Knochens) auf eine erhöhte Aminosäurekonzentration an.(4)
Obwohl der Vorgang nicht am Menschen untersucht wurde, gibt es (zumindest theoretisch) Grund zu der Annahme, dass eine Proteinzufuhr die Knochenbildung beschleunigen könnte. Darüber hinaus wissen wir, dass für eine optimale Knochenneubildung nach einem Knochenbruch eine ausreichend große Zufuhr von Kalzium und Vitamin D ebenfalls sehr wichtig ist.
Rehabilitation und Muskelaufbau
Die funktionellen Gesichtspunkte und Stoffwechselanforderungen während der Rehabilitationsphase können sich von denen während der zwangsweise erfolgten Ruhigstellung der Gliedmaßen deutlich unterscheiden (s. Abb. 2). Wahrscheinlich wird der Gesamtenergieverbrauch mehr oder weniger ansteigen. Mit zunehmender Aktivität beginnen sich rückgebildete Muskeln durch Zellwachstum wieder zu vergrößern. Zudem ist die Muskelproteinbildung ein energieaufwändiger Prozess, der den Energiebedarf weiter in die Höhe treibt. Und auch wenn es ein wenig widersprüchlich zu sein scheint, so gibt es doch umfangreiche Belege dafür, dass es während der Rehabilitation beim Aufbau der Muskulatur zu einem vermehrten Abbau von Muskelprotein kommt, was vermutlich für eine bessere Neubildung der Muskeln förderlich ist.
Abbildung 2 zeigt die Veränderungen, die sich hinsichtlich des Stoffwechsels und der Funktion in den Muskeln und Sehnen ergeben, wenn die Aktivität nach einer verletzungsbedingten Unbeweglichkeit wiederhergestellt ist. Sportliche Aktivität und Aminosäuren wirken stimulierend auf die Muskeln, und der Sport fördert den Aufbau der Sehnen, so dass Muskelgröße und Muskelfunktion wieder aufgebaut werden. Der Wiederaufbau von Muskelmasse und Muskelkraft dauert jedoch wesentlich länger als der Abbau während der Phase der Immobilität.
Dieser größere Muskelumsatz trägt zu einem erhöhten Energiebedarf während der Erholung bei, daher muss sich auch die Energiezufuhr in gewissem Maß erhöhen – je nach Art der Verletzung und der entsprechenden Ruhigstellung von Gliedern und Gelenken sogar ganz erheblich. Mit Sicherheit lässt sich jedoch sagen, dass es im Hinblick auf den für einen Muskelaufbau notwendigen Proteinstoffwechsel nicht sinnvoll ist, die Kalorienzufuhr zu beschränken.
Eine erhöhte Proteinzufuhr kann den Proteinumsatz steigern. Wenn die Verfügbarkeit von Aminosäuren nach sportlicher Betätigung zunimmt, stimuliert dies natürlich auch die Muskelproteinbildung, was zu einer positiven Netto-Muskelproteinbilanz (und zu Muskelwachstum) führt. Eine akutelle Studie, die zwar auch zu einigen fragwürdigen Ergebnissen kam, weist darauf hin, dass eine erhöhte Proteinzufuhr die Erholung nach einer Ruhigstellung beschleunigt.(5) Die große Frage, wie viel Protein wirklich über die Nahrung zugeführt werden sollte, konnte jedoch noch nicht beantwortet werden. Dafür sind weitere Studien erforderlich.
Mehr Proteine – mehr Muskeln?
Bei gesunden jungen Männern erfolgt der Muskelaufbau bei einer wesentlich geringeren diätetischen Proteinzufuhr, als manche für notwendig erachten (z. B. 1,2 g pro kg Körpergewicht am Tag). Solange bezüglich der Gesamtkalorienzufuhr bestimmte Grenzen beachtet werden und die Kohlenhydratmenge oder Aufnahme essenzieller Fette nicht beschränkt wird, dürfte eine Erhöhung der Proteinzufuhr unproblematisch sein.
Nicht vertretbar ist die Meinung, dass eine Erhöhung der Proteinzufuhr zu einem proportionalen Zuwachs an Muskelgröße und -funktion führt. Es gibt andere, weitaus wichtigere Faktoren. Sowohl das Timing der Proteinzufuhr in Zusammenhang mit dem Training, als auch die Art des zugeführten Proteins sowie andere gleichzeitig aufgenommene Nährstoffe und die Wechselwirkungen zwischen diesen Faktoren können Einfluss auf die Verwertung der Aminosäuren aus dem zugeführten Protein haben.(6) Die Gesamtmenge an Protein ist daher wahrscheinlich nicht der wichtigste Nahrungsfaktor für den Aufbau von Muskelmasse.
Vitamine, Mineralstoffe und der Genesungsprozess
Auch über andere Nährstoffe, die den Genesungsprozess beeinflussen können, wurde in der Presse viel berichtet. Die Nachweise sind jedoch häufig nur abgeleitet und nicht eindeutig. Diejenigen, die die Wirksamkeit solcher Nährstoffe propagieren, stützen sich oft auf solide theoretische Grundlagen und führen diese als Beleg für die Wirksamkeit in Bezug auf eine schnellere Genesung nach einer Verletzung an. So gibt es beispielsweise Belege dafür, dass Zink ganz entscheidend ist für die Zelldifferenzierung, die eine wichtige Rolle bei der Wundheilung spielt. Vitamin C ist notwendig für die Kollagenbildung.
Eine ausreichende Zufuhr dieser Nährstoffe ist natürlich wichtig. Aber das heißt nicht, dass eine entsprechende Nahrungsergänzung über das Maß einer ausgewogenen Ernährung hinaus förderlich ist. Aufgrund gegenseitiger Beeinflussungen bei der Aufnahme und Verstoffwechselung kann die Supplementierung einzelner Mikronährstoffe sogar zu einem Ungleichgewicht bei anderen Nährstoffen führen.
Fazit: Ernährung nach Sportverletzungen
Bei der bisherigen Diskussion ging es hauptsächlich um Protein und Energie. Andere Nährstoffe werden für eine optimale Erholung nach einer inaktiven Phase für ebenso wichtig erachtet. Doch wie bei vielen anderen Dingen in Zusammenhang mit der Ernährung für Sportler gibt es auch hier wenig handfeste Beweise aus Studien, die sich speziell mit belastungsinduzierten Verletzungen beschäftigen. Bei gesunden jungen Menschen führte eine Kreatin-Supplementierung eindeutig zu einer schnelleren Wiederherstellung von Muskelmasse und -funktion nach einem Gipsverband.(7) Laut einer Studie an Patienten mit einer Kreuzband-OP ergaben sich durch eine solche Nahrungsergänzung mit Kreatin jedoch keine Unterschiede.(8)
Es ist leicht vorstellbar, dass eine Verletzung an sich schon Einfluss auf die Stoffwechselreaktion des Körpers hat und die Zufuhr von Kreatin nach einer Verletzung folglich weniger wirkungsvoll ist. Welche Wirkmechanismen im Stoffwechsel für diesen Unterschied verantwortlich sind, lässt sich jedoch nicht so einfach herleiten. Entsprechende Nachweise gibt es bislang jedenfalls noch nicht.
Entzündungshemmende Medikamente
An dieser Stelle möchte ich allerdings vor bestimmten Substanzen warnen. Im Allgemeinen werden nach einer Verletzung, insbesondere in der Anfangsphase, entzündungshemmende Medikamente eingenommen. Verwenden Sie solche Medikamente äußerst sparsam. Es liegen viele Belege dafür vor, dass entzündungshemmende Medikamente den Heilungsprozess in Weichgewebe wie den Muskeln, Sehnen und Bändern sowie bei Knochenbrüchen behindern und verzögern.
Es wurde auch vermutet, dass oxidativer Stress eine große Rolle spielt und schädlichen Einfluss auf den Muskelschwund in Phasen der Inaktivität hat. Für diese Vermutung gibt es jedoch überhaupt keine Belege. Antioxidative Nahrungsergänzungsmittel sind unnötig und könnten sogar unerwünschte Nebenwirkungen haben. In der Rehabilitation nach einer Verletzung wäre es sogar besonders wichtig, keine antioxidativen Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen, da der oxidative Stress infolge der Belastung bekanntlich den Umstellungsvorgang fördert.
Und schließlich noch ein Hinweis: Sicherlich stellt ein kaltes Bier ab und an kein Problem dar, aber es wurde nachgewiesen, dass übermäßiger Alkoholgenuss die Muskelproteinbildung beeinträchtigen und die Heilung verzögern kann. Daher sollten Sie den Alkoholgenuss weitestgehend reduzieren, auch wenn die Versuchung groß ist, den Verletzungsfrust in Alkohol zu ertränken!
Praktische Tipps zur Regeneration
- Sportler sollten während der Ruhigstellung von Gliedern und Gelenken für eine ausreichende Energie- und Proteinzufuhr sorgen. Überlegenswert ist auch die zusätzliche Gabe von Leucin, um die anabole Resistenz zu überwinden.
- Während der Rehabilitation kann zusätzliches Protein (insbesondere in Verbindung mit sportlicher Belastung) den Muskelaufbau verstärken und die Wiederherstellung der vollen Leistungsfähigkeit beschleunigen.
- Für eine optimale Erholung ist ausreichend Energie notwendig, daher sollte die Gesamtkalorienzufuhr nicht allzu sehr eingeschränkt werden.
- Obwohl die Supplementierung von Mikronährstoffen wie Zink und Vitamin C während der Heilungsphase theoretisch belegt wurde, sollten die Sportler lieber versuchen, diese Nährstoffe hauptsächlich aus Nahrungsmitteln zu beziehen.
- Die Sportler sollten der Versuchung widerstehen, die Entzündung künstlich zu verringern, sofern nicht eine übermäßige oder chronische Entzündung festgestellt wurde. Die Einnahme von entzündungshemmenden Medikamenten und antioxidativen Nahrungsergänzungsmitteln könnte sich nämlich als kontraproduktiv erweisen.
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Kevin Tipton ist Professor an der School of Sport and Exercise Science der University of Birmingham, England. Sein Fachgebiet ist der Belastungsstoffwechsel.
Fachsprache
- Basal – bezieht sich auf den Zustand in Ruhe und nüchtern
- Kataboles Modell – ein Modell mit verringerter Netto-Muskelproteinbilanz
- Myofibrilläre Proteine – Strukturproteine, die für die Muskelkontraktionen zuständig sind
- Omega-3-Fette – essenzielle Fette, die vor allem in öligen Kaltwasserfischen, z. B. Makrele, Lachs, Hering, sowie in Leinsamenöl vorkommen
- Omega-6-Fette – essenzielle Fette, die in Pflanzenöl, wie Sonnenblumenöl, Sojaöl, Erdnussöl etc., vorkommen
- Oxidativer Stress – eine Schädigung von Gewebe wie z. B. der Zellmembranen, wichtigen Proteinen, DNA etc., die die Folge von kurzlebigen chemischen Substanzen ist, die im normalen Stoffwechselgeschehen unweigerlich entstehen
- Zelldifferenzierung – bedeutet, dass sich ursprünglich gleichartige Zellen zu solchen mit unterschiedlicher Funktion und verschiedenem Bau entwickeln
Quellenangaben
- The Journal of Physiology, 27.10.2008.
- American Journal of Physiology and Endocrinology and Metabolism 2006, Bd. 291, S. E381–E387.
- Journal of Musculoskeletal and Neuronal Interactions 2005, Bd. 5, S. 41–52.
- Experimental Physiology 2005, Bd. 90, S. 427–436.
- Journal of Orthopaedic Research 2006, Bd. 24, S. 2114–2123.
- European Journal of Sports Science 2008, Bd. 8, S. 107–118.
- The Journal of Physiology 2001, Bd. 536, S. 625–633.
- The American Journal of Sports Medicine 2004, Bd. 32, S. 383–388.