Sportverletzung: Achillessehnenruptur in der Leichtathletik

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Die Sportler vieler Sportarten werden durch Achillessehnenbeschwerden und -verletzungen in ihrer Karriere zurückgeworfen oder müssen sie sogar beenden. Wie sich Achillessehnenbeschwerden zur Ruptur entwickeln und welche Präventionsmaßnahmen helfen erklärt Prof. Dr. Karsten Knobloch.

Die Nachrichten sind alarmierend: am 20.6.12 meldet die dpa um 14.34 Uhr das Olympia-Aus für den deutschen Hochspringer Raul Spank (24).(1) Der WM-Dritte von 2009 erlitt einen Achillessehnenriss. Auf seiner Homepage heißt es: „Mein Super-GAU“. Spank litt schon länger an Achillessehnenbeschwerden, schon bei der DM in Wattenscheid im Juni hatte er über Achillessehnenprobleme geklagt. Auch die deutsche Hochspringerin Ariane Friedrich versucht nach wie vor den Anschluss an ihre Form zu finden, 18 Monate nach einem Achillessehnenriss am 22.12.10. Die schwedische Hallenhochsprungweltmeisterin von 2000, Kajsa Bergqvist, zog sich unmittelbar vor den olympischen Spielen 2004 einen Achillessehnenriss zu. Schliesslich verletzte sich die Weitspringerin Sophie Krauel (27) am vergangenen Wochenende schwer: Durch einen Achillessehnenriss muss sie ihre Olympiaträume von London begraben.(2)

Es erscheint, dass die Rate an Achillessehnenrissen nicht nur in den leichtathletischen Sprungsportarten steigt. Prominente Beispiele mit Achillessehnenrissen aus anderen Sportarten sind der Fussballer David Beckham oder auch Kunstturner Fabian Hambüchen mit Verletzungsausfallzeiten von 6-7 Monaten.

 

Häufigkeit von Achillessehnenrissen

Die Inzidenz für die Achillessehnenruptur in Deutschland ist unbekannt. Je nach untersuchter Patientengruppe sind Rupturraten von 2 bis 18 Rupturen pro 100.000 Personen beschrieben.(3,4)

Eine schottische Untersuchung verglich die Achillessehnenrupturraten in den Jahren 1981 und 1995: Im Vergleich zu 1981 mit 4,7/100.000 Achillessehnenrupturen stieg die Anzahl auf 6/100.000 Achillessehnenrupturen im Jahr 1995 an.(5) Insbesondere Männer zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr waren häufig betroffen.

Eine US-amerikanische Studie aus dem Jahr 2010 berichtet von einem Anstieg von Achillessehnenrupturen von 2/100.000 im Jahr 2000 auf 12/100.000 im Jahr 2010.(6) Insbesondere kurze Antritte und Sprungbelastungen waren die Auslöser der Achillessehnenrupturen. In der amerikanischen National Football Liga (NFL) wurden in fünf Jahren 31 Achillessehnenrupturen beobachtet (7): im Mittel verloren die Spieler rund 50 % ihrer power ratings. 32 % der NFL-Spieler konnten nach einer Achillessehnenruptur ihre NFL-Karriere nicht fortsetzen.

 

Verletzungsrate in der Leichtathletik

Die Verletzungsrate in der Leichtathletik wurde 2012 bei 278 heranwachsenden Athleten im Alter von 16 Jahren und bei 321 erwachsenen schwedischen Athleten untersucht.(8) Die Gesamtverletzungsrate in einem Jahr lag bei 43 %. Insbesondere die männlichen erwachsenen Athleten berichteten über Verletzungen (50 %), deutlich häufiger als die weiblichen erwachsenen Athletinnen (47 %), sowie die heranwachsenden weiblichen (44 %) und männlichen (29 %) Athleten. Achillessehnenbeschwerden wurden in 11,7 % berichtet.

Eine englische Untersuchung mit 17 Elitesportlern mit einer Achillessehnenruptur, die vorab über Achillessehnenprobleme geklagt hatten, zeigte folgendes Bild:

– 9/17 Fußball, Rückkehr zum Sport zwischen 4-6 Monaten

– 1/17 Weitsprung, Rückkehr zum Sport nach 5,4 Monaten, auf niedrigerem Niveau als vor der Verletzung

– 1/17 Hochsprung, Rückkehr zum Sport nach 5,5 Monaten, auf besserem Niveau als vorher

 

Ehemalige Mittel- und Langstreckenläufer, die im Olympiakader von Finnland aktiv waren, hatten ein um das 31-fache erhöhtes Risiko für Achillessehnenbeschwerden gegenüber den übrigen Athleten des finnischen Teams(10); Sprinter hatten ein 11-fach erhöhtes Risiko für eine Achillessehnenruptur.

In einer eigenen Analyse mit 291 Laufsportlern mit im Mittel 65 Laufkilometern pro Woche waren Achillessehnenbeschwerden die häufigste Verletzung überhaupt: alle 62.500 Laufkilometer traten diese Beschwerden auf, gefolgt von Patellasehnenbeschwerden (77.000km), seltener das Schienbeinkantensyndrom oder eine plantare Fasziitis.(11)

 

Kontinuum gesunde Achillessehne – Tendinopathie – Ruptur

Es gibt eine Reihe von Hinweisen, dass es sich bei einer Achillessehnenruptur um den Endzustand

Es gibt wissenschaftlich belegte Hinweise, dass die Achillessehnenruptur ein Endzustand einer Achillessehnenerkrankung ist.

Kontinuum gesunde Achillessehne – Tendopathie – Ruptur   © Knobloch/trainingsworld

einer Achillessehnenerkrankung handelt. Befragt man Athleten mit einer Achillessehnenruptur, so berichten sehr viele Patienten über zurückliegende Achillessehnenbeschwerden. Die Veränderungen im Ultraschall mit zunehmender Dicke der Achillessehne und Zunahme der Blutgefäße gehen über ein asymptomatisches in ein symptomatisches Stadium über.(12) Feingeweblich können massive degenerative Veränderungen mit einer Mehrdurchblutung, einer verminderten Kollagenqualität und regionalen Zellzahlveränderungen in Achillesrupturzonen nachgewiesen werden.(13) Insofern gilt es, wenn man Rupturen verhindern möchte, die zielgerichtete und sinnvolle frühzeitige Therapie schon bei der Tendinopathie anzusetzen, um das Rissrisiko zu senken.

An dieser Stelle sind nach evidenzbasierten Kriterien die folgenden Therapien angezeigt:

– Exzentrisches Krafttraining

– Fokussierte extrakorporale Stoßwellentherapie

– Power-Doppler-kontrollierte Sklerosierung mit Polidocanol

– örtlich Nitrolingualspray

– begleitender Sport bis Schmerzstärke 5/10

Krafttraining, Stoßwellentherapie, Sklerosierung, Nitrolingualspray und Sport - Therapien gegen Achillessehnenbeschwerden

Krafttraining, Stoßwellentherapie, Sklerosierung, Nitrolingualspray und Sport – Therapien gegen Achillessehnenbeschwerden   © Knobloch/trainingsworld

 

Risikofaktoren – Vererbung kann eine Rolle spielen

Offensichtlich scheint die Familiengeschichte eine gewisse Bedeutung im Zusammenhang mit Achillessehnenrupturen zu haben. Varianten des MMP3-Gens sind mit der Entwicklung einer Achillessehnenerkrankung assoziiert.(14) Auch das COL5A1-Gen, welches für Typ 5-Kollagen kodiert, scheint für Achillessehnenprobleme zu prädisponieren.(15)

Wir konnten kürzlich in einer Analyse mit 566 Patienten eine positive Familiengeschichte für Achillessehnenbeschwerden als signifikanten Risikofaktor nachweisen.(16)

 

Prävention von Achillessehnenbeschwerden durch exzentrisches Krafttraining und Propriozeptionstraining

Ein schmerzhaftes exzentrisches Krafttraining über 12 Wochen kann, wenn es mit 6×15 Wiederholungen pro Tag und Bein wiederholt wird, den Schmerz bei Achillessehnenbeschwerden signifikant um 50-70 % reduzieren.(17) Das exzentrische Krafttraining einbeinig an einer Treppenstufe durchgeführt (www.eccentrictraining.com) sollte mit 6×15 Wiederholungen pro Tag und Bein für mindestens 12 Wochen durchgeführt werden.

Als Erhaltungsdosis sowie zur Prävention beispielsweise einer Achillessehnenruptur bei Sprungsportlern empfehle ich, mindestens noch zweimalig in der Woche 6×15 Wiederholungen pro Bein fortzuführen.

Wir konnten zeigen, dass das exzentrische Krafttraining den pathologisch gesteigerten Blutfluss in der Achillessehne nach 12 Wochen um 50 % zu reduzieren vermag(18) – ein Effekt, der auch an der asymptomatischen Gegenseite mit der Laser-Doppler-Flussmessung nachweisbar ist.(19) Daher ist es denkbar, dass ein exzentrisches Krafttraining die pathologischen Neogefäße im Sinne einer Prävention zu verhindern vermag.

Neben dem exzentrischen Krafttraining scheint ein sportartspezifisches Propriozeptionstraining die Verletzungshäufigkeit von Achillessehnenverletzung zu verhindern.(20) Wir konnten zeigen, dass Achillessehnenbeschwerden durch eine zusätzliche propriozeptive sportartspezifische Trainingsintervention signifikant verhindert werden (von 1,5 Achillessehnenverletzungen pro 1000 h Fußball auf 0 Achillessehnenverletzungen pro 1000 h Fußball, p<0,05).

 

Meine Präventionsempfehlung

Insofern erscheint mir aus sportpraktischer Sicht die Empfehlung von täglich 5 Minuten Propriozeptionstraining und 6×15 Wiederholungen eines exzentrischen Krafttrainings als Eckpfeiler eines potentiellen Verletzungspräventionsprogramms zur Beeinflussung von Achillessehnenrupturen.

Der Stellenwert von Trainingsvariationen, beispielsweise auch mit Vibrationsplattformen, bleibt in weiteren Untersuchungen abzuwarten.

 

Prof. Dr. Karsten Knobloch, FACS

 

Literatur

1. http://www.zeit.de/news/2012-06/20/leichtathletik-achillessehnenriss-bei-hochspringer-spank-20143405

2. http://jena.otz.de/web/lokal/sport/detail/-/specific/Achillessehen-von-Jenaer-Weitspringerin-Sophie-Krauel-gerissen-32067191

3. Leppilahati J, Puranen J, Orava S. Indicence of Achilles tendon rupture. Acta Orthop Scand 1996;67:277-9.

4. Moller A, Astros M, Westland N. Increasing incidence of Achilles tendon rupture. Acta Orthop Scand 1996;67:479-81.

5. Waterston S, Squair J, Douglas AS, et al. Changing indicence of Achilles tendon rupture in Scotland. J Bone Joint Surg Br 1994;12:246-52.

6. Hess GW. Achilles tendon rupture: a review of etiology, population, anatomy, risk factors, and injury prevention. Foot Ankle Spec 2010;3(1):29-32.

7. Parekh SG, Wray WH 3rd, Brimmo O, Sennet BJ, Wapner KL. Epidemiology and outcomes of Achilles tendon ruptures in the National Football League. Foot Ankle Spec 2009;2(6):283-6.

8. Jacobsson J, Timpka T, Kowalski J, Nilsson S, Ekberg J, Renström P. Prevalence of musculoskeletal injuries in Swedish elite track and field athletes. Am J Sports Med 2012;40(1):163-9.

9. Maffulli N, Longo UG, Maffulli GD, Khanna A, Denaro V. Achilles tendon ruptures in elite athletes. Foot Ankle Int 2011;32(1):9-15.

10. Kujala UM, Sarna S, Kaprio J. Cumulative incidence of achilles tendon rupture and tendinopathy in male former elite athletes. Clin J Sports Med 2005;15:133-5.

11. Knobloch K, Yoon U, Vogt PM. Acute and overuse injuries correlated to hours of training in master running athletes. Foot Ankle Int 2008;29/7):671-6.

12. Knobloch K, Hüfner T. Konservative Therapie der Achillestendinopathie. Unfallchirurg 2010;113(9):705-11.

13. Maffulli N, Longo UG, Maffulli GD, Rabitti C, Khanna A, Denaro V. Marked pathological changes proximal and distal to the site of rupture in acute Achilles tendon ruptures. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2011;19(4):680-7.

14. Raleigh SM, van der Merwe L, Ribbans WJ, Smith RK, Schwellnus MP, Collins M. Variants within the MMP3 gene are associated with Achilles tendinopathy: possible interaction with the COL5A1 gene. Br J Sports Med 2009;43(7):514-20.

15. Mokone GG, Schwellnus MP, Noakes TD, Collins M. The COL5A1 gene and Achilles tendon pathology. Scand J Med Sci Sports 2006;16(1):19-26.

16. Kraemer R, Wuerfel W, Lorenzen J, Busche M, Vogt PM, Knobloch K. Analysis of hereditary and medical risk factors in Achilles tendinopathy and Achilles tendon ruptures: a matched pair analysis. Arch Orthop Trauma Surg 2012;132(6):847-53.

17. Kraemer R, Lorenzen J, Vogt PM, Knobloch K. Systematic review about eccentric training in chronic Achilles tendinopathy. Sportverletz Sportschaden 2010;24(4):204-11.

18. Knobloch K. Eccentric training in Achilles tendinopathy: is it harmful to tendon microcirculation? Br J Sports Med 2007;41(6):e2.

19. Knobloch K, Kraemer R, Jagodzinski M, Zeichen J, Meller R, Vogt PM. Eccentric training decreases paratendon capillary blood flow and preserves paratendon oxygen saturation in chronic Achilles tendinopathy. J Orthop Sports Phys Ther 2007;37(5):269-76.

20. Kraemer R, Knobloch K. A soccer-specific balance training program for hamstring muscle and patellar and achilles tendon injuries: an intervention study in premier league female soccer. Am J Sports Med 2009;37(7):1384-93.

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