Wie funktionieren meine Kreuzbänder? Wie kommt es zu Verletzungen und wie sehen die aus? Kann ich einem Kreuzbandriss vorbeugen? Welche Therapiemethoden gibt es? Wie kann ich aktiv an der Rehabilitation mitwirken? – Diese Fragen beantwortet Angi Peukert in diesem Beitrag.
Sport zu treiben bedeutet für den Körper eine hohe Belastung, schließlich muss der komplette Bewegungsapparat kontrolliert und gesteuert werden. Das größte – und eins der komplexesten – Gelenk ist dabei das Kniegelenk. Bei ständiger Bewegung die richtige Stellung beizubehalten ist eine große Herausforderung, welcher das Knie nicht immer gewachsen ist – die vordere Kreuzbandruptur ist daher eine der häufigsten Sportverletzungen überhaupt.
Welche Funktion hat das Kreuzband bezüglich der Stellung im Knie eigentlich und wie kann ein Riss – der beim Überspannen des Bandes entsteht – therapiert werden, um wieder sportlich aktiv zu werden?
Wie funktionieren meine Kreuzbänder?
Das Kniegelenk ist die gelenkige Verbindung zwischen Schienbeinknochen (Tibia) und Oberschenkelknochen (Femur), sowie zwischen Femur und Kniescheibe (Patella). Die Stabilität des Kniegelenkes wird durch Menisken, Muskeln, Gelenkkapsel und Bändern gewährleistet.
Die Kreuzbänder haben wichtige Aufgaben im Knie: Sie koordinieren die Roll-Gleit-Bewegung, sie limitieren die Translation der Tibia – die Hemmung der Innenrotation, die Stabilisation in der Sagittalebene (sekundär, auch in der Frontalebene, wenn die Collateralbänder nicht intakt sind).
Dadurch, dass beide Kreuzbänder jeweils zwei Bündel haben, sind in jeder Kniestellung Fasern auf Spannung. Das vordere Kreuzband, dessen Fasern zum Teil mit dem medialen Meniskus verbunden sind, limitiert das translatieren der Tibia nach ventral. Durch die recht hohe Dichte an Rezeptoren im Bandknochenübergang werden wichtige Informationen von Stellungs- und Spannungsänderungen an das Zentrale Nervensystem weitergegeben.
Wie kommt es zur Ruptur?
Zur Ruptur kommt es häufig durch die hohe Gewichtsbelastung bei dynamischen Beschlenigungs- und Abbremskräften, beispielsweise beim Landen nach einem Sprung. Nur selten, ungefähr bei 30% der Rupturen, ist direkte Gewalteinwirkung – wie etwa bei Kontaktsportarten wie Fussball oder Basketball – die Ursache für eine Ruptur. Ein typischer Verletzungsmechanismus aus dem Alpinen Sport ist die Hyperflexion zusammen mit der Innenrotation beim nach-hinten-fallen. Eine weitere Kombination ist die Extension mit Valgusstress (X-Bein Stellung im Kniegelenk) plus Rotationsbewegung mit hohen Gewichtsbelastungen und Geschwindigkeiten.
Im Moment der Ruptur tritt ein starker Schmerz auf, welcher jedoch recht schnell nachlässt und nur noch bei Belastung förmlich ins Knie schießt. Es kommt zu Einblutungen im Knie, da bei einer Ruptur auch die Gefäße im Band zerstört werden. Als Folge tritt ein Instabilitätsgefühl auf, nicht selten entsteht eine eiförmige Schwellung oberhalb der Kniescheibe, sodass es zu Bewegungseinschränkungen kommt. Häufige Begleitverletzungen sind Meniskusläsionen, im schlimmsten Falle außerdem eine Beteiligung des Innenbands – die Kombination aus diesen drei Verletzungen ist auch als „Unhappy triad“ bekannt.
Kann ich einem Kreuzbandriss vorbeugen?
Durch Untersuchungen von Landungen nach Sprüngen, dem Abstoppen und bei plötzlichen Richtungswechseln, stellten Kirkendall und Garrett (2001) fest, dass gerade bei Frauen der Hüft- und Kniebeugewinkel größer und der Valguswinkel im Knie kleiner ausgeprägt ist. Dies war einhergehend mit einer isolierten und stärkeren Quadrizepsaktivierung und einer reduzierten Hüftextensorenaktivierung.
Auf diesen Grundlagen basiert ein Präventionsprogramm zur Verhinderung von Rupturen des vorderen Kreuzbandes. Diese beinhaltet drei wichtige Komponente:
1. Aufklärung
beispielsweise durch Videoaufzeichnungen von sportartspezifi schen Verletzungsmustern. Die visuellen und verbalen Hinweise fördern in Gefahrensituationen die motorischen Kompensationsstrategien.
2. Spezifische Feedback-Übungen
Schulung des Informationskreislauf über Stellung im Raum durch u.a. Propriozeptoren) durch Gleichgewichtsübungen auf wackeliger Unterlage.
3. Feedforward-Übungen
bewusste oder unbewusste Voraktivierung der Muskulatur durch Schrittfolgen oder Sprünge.
Weitere wichtige Trainingsaspekte sind, neben der Koordination, die restlichen motorischen Fähigkeiten wie Flexibilität, Kraft, Schnelligkeit und Ausdauer.
Welche Therapiemethoden gibt es?
Bei den Therapiemethoden wird generell zwischen zwei Methoden, der konservativen und der operativen, unterschieden.
Die konservative Behandlung ist im Leistungssport keine nennenswerte Alternative, da häufig die einwirkenden Kräfte nicht muskulär kompensiert werden können und ein Instabilitätsgefühl auftritt (Giving away – das Knie lässt nach).
Im operativen Bereich gibt es unterschiedliche Verfahren. Der größte Unterschied zwischen den einzelnen Verfahren besteht in der Auswahl des Ersatzkreuzbandes, welches aus der Patellasehne oder der Semitendinosussehne gewonnen werden kann.
Das Patellasehnenimplantat wird aus dem mittleren Drittel der Sehne mit an beiden Enden anhaftenden Knochenblöcken entnommen. Diese Blöcke werden im Bohrkanal zum Beispiel durch Zuckerschrauben fixiert. In den ersten drei bis sechs Wochen wachsen diese Knochenblöcke fest.
Die Semitendinosussehne wird auf Höhe des Kniegelenkes durch einen kleinen Hautschnitt am Tibiakopf entnommen. Durch die Dopplung dieser Sehne erhält man ein Vierfach-Implantat, welches in der ersten Zeit nach der Operation besonders stabil ist. Die Fixation erfolgt durch Endobutton, welche zehn bis zwölf Wochen brauchen um einzuwachsen.
Rehabilitation
Die Nachbehandlungsprogramme sind auf die unterschiedlichen Implantate abgestimmt und außerdem regional unterschiedlich. Allgemein anerkannt ist die Einteilung nach den unterschiedlichen Wundheilungsphasen:
In den ersten Tagen postoperativ stehen zunächst die passive Mobilisation durch eine Motorschiene, Patellamobilisation, isometrische Übungen – besonders in die Streckung – und die Teilbelastung im Vordergrund.
In den ersten drei Wochen bleibt es bei einer Teilbelastung, wobei das Bewegungsausmaß nun auch aktiv zu 90/0/0 gesteigert werden soll. Zuätzlich wird mit leichten Koordinationsübungen begonnen.
In den ersten sechs Wochen erfolgt die Versorgung zumeist mit einer Don-Joy-Goldpoint- Orthese, wobei die Kniebeugung stetig freigegeben wird.
Zwischen der vierten und sechsten Woche wird auf Vollbelastung gesteigert, es wird mit dem Beüben der Koordination auf wackligen Untergrund begonnen. Nicht zu vernachlässigen sind weiterhin Muskeltechniken zur Erweiterung des Bewegungsausmaßes, sowohl durch therapeutische Handlings als auch durch selbstständige Dehnübungen.
Nach ca. drei Monaten kann in der Therapie mit leichtem Lauftraining begonnen werden, sowie mit dosiertem Krafttraining. Allerdings sollte auf Kontaktsportarten sechs bis neun Monate nach der Operation verzichtet werden.
Wie kann ich unterstützend üben?
Direkt am ersten Tag postoperativ kann mit isometrischen Übungen begonnen werden. Wichtig ist es dabei, die volle Kniestreckung von Anfang an zu beüben, aber auch die Mobilität zu erhalten. Einige Beispiele von sinnvollen isometrischen Übungen sind:
– Kniekehle durchdrücken, evtl. ein kleines Kissen unter das Knie lagern und dieses Zerdrücken, die Ferse bleibt zunächst auf der Unterlage.
– wie oben, aber das Bein abheben.
– wie oben, die Zahlen von 0-9 in die Luft malen.
– Zehenspitzen ran ziehen, Ferse so weit wie möglich zum Gesäß ziehen.
– wie oben, das Bein abheben, abstellen und wieder strecken.
(Video: Ursache und Behandlung von Kreuzbandverletzungen)
Zusammenfassung
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Kreuzband eine tragende Rolle im Knie spielt und der Riss wohl eine der langwierigsten Sportverletzungen ist.
Durch den Verlust vieler Rezeptoren, die im Kreuzband Informationen über die Stellung im Raum an das zentrale Nervensystem weiterleiten, entsteht ein starkes Instabilitätsgefühl. Allerdings können durch die heutigen operativen Verfahren sehr gute Ergenbisse in der Heilung erzielt werden. Unterstützt durch eine intensiven Nachbehandlung unter Berücksichtigung des Heilungsprozesses, sowie durch eine stetige – aber wohldosierte – Steigerung der Belastung, steht einem Comeback nichts im Weg.
Angie Peukert
Quellenangaben:
1. Hochschild, Jutta: Strukturen und Funktionen begreifen. Funktionelle Anatomie – Therapierelevante Details. Stuttgart: Thieme, 2002
2. Bant, Harald et al.: Sportphysiotherapie. Stuttgart: Thieme, 2011
3. Zalpour, Christoff: Anatomie Physiologie. 2. Auflage, München/Jena: Urban & Fischer
4. Diemer, Frank et al.: Praxis der medizinischen Trainingstherapie 1. Lendenwirbelsäule, Sakroiliakalgelenk und untere Extremität. 2. Auflage, Stuttgart: Thieme, 2011
5. Hüter-Becker, Antje et al.: Physiotherapie in der Orthopädie. 2. Auflage, Stuttgart: Thieme, 2009
6. Reinhardt, Olga: „Facharbeit“ URL: http://www.ganeo.de/facharbeiten/Olga_ReinhardtDiplomarbeit_Korrektur1312_1_.pdf