Afrikanische Läufer: Warum sind die Kenianer und Äthiopier so schnell?

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Afrikanische Läufer: Warum sind die Kenianer und Äthiopier so schnell? Die Dominanz der afrikanischen Läufer auf den leichtathletischen Mittel- und Langstrecken ist nahezu jedem bekannt. Diese Entwicklung wird in der Wissenschaft kontrovers diskutiert. Der Artikel versucht dieses Phänomen näher zu beleuchten und zeigt mögliche Ursachen und Erklärungen auf.

Warum sind afrikanische Läufer so schnell?

Schon lange ist man nicht mehr überrascht, wenn man einen Marathon verfolgt oder sich bei Olympischen Spielen den Medaillenspiegel ansieht. Hauptsächlich Kenianer und Äthiopier parieren auf den besten Plätzen. Bei den Sprintdisziplinen beobachtet man ähnliches. Hier dominieren die Jamaikaner. Das war nicht immer so: Noch 1985 kamen 54 % der besten Mittel- und Langstreckenläufer aus Europa, 12 % aus Kenia und 9 % aus dem übrigen Afrika. 2005 lag der Anteil der Europäer an den besten Mittel- und Langstreckenläufern nur noch bei 19 %, während 47 % aus Kenia kamen und 22 % aus dem übrigen Afrika.

Die statistischen Zahlen haben es bereits verdeutlicht – in den letzten 25 Jahren ist in der deutschen Leichtathletik der Laufsport in eine Art „Krise“ geraten. 1985 fanden sich unter den besten 50 Marathonläufern noch 3 Deutsche, deren mittlerer Abstand zu den ersten 3 Platzierten bei 2:30 Minuten lag. 2005 hingegen lag der Abstand zu den besten 3 in einer Größenordnung um 8 Minuten.

Je nach Einstellung und Kenntnis der Hintergründe werden ganz unterschiedliche Ursachen angenommen. Auf der einen Seite werden die Hauptgründe in der mangelnden Talentsichtung bzw. in dem ungenügenden Zusammenwirken zwischen Trainern, Vereinen und Verbänden gesehen. Begabte Athleten würden nicht ausreichend unterstützt und durch kompetentes Training der physiologischen und psychologischen Fähigkeiten begleitet.(1) Demgegenüber stehen Einschätzungen, dass hier möglicherweise genetische Aspekte eine dominierende Rolle spielen könnten.

Die Entwicklung der Leichtathletik in Europa

Betrachtet man die Wettkampfleistung im Sprint- und Ausdauerbereich der kaukasischen Bevölkerung, ist festzuhalten, dass sich eine relativ enge Beziehung der Spitzenleistungen zur Dichte der Bevölkerung zeigt. Tatsächlich sind die Spitzenleistungen im Ausdauerbereich über 10.000 m und Marathon in großen Nationen wie Frankreich, Deutschland und England konstant oder leicht rückläufig. So kann ein Rückgang in Deutschland zum Teil mit den geburtenschwächeren Jahrgängen und einer geringeren Rekrutierung für die Leichtathletik erklärt werden. Die Geburten lagen 1965 noch bei 1,3 Millionen, in denletzten Jahren nur noch bei 0,76 Millionen.

Ein weiterer, nicht zu vernachlässigender Punkt, warum die Europäer von den Leistungen der Weltspitze weit entfernt liegen, ist mit Sicherheit auch in der weltweit zunehmenden Rekrutierung von Athleten zu suchen. Länder wie Indien, China oder Teile Afrikas können ihr Potential, das in Europa konstant oder eher rückläufig ist, weiter ausschöpfen.(2)

Die Ausdauerleistung afrikanischer Läufer

Ein Großteil der wissenschaftlichen Berichte zu dem Thema beinhalten den Standpunkt, die großen Leistungsunterschiede seien auf grundsätzliche Faktoren zurückzuführen, die die Leistungsfähigkeit eines Sportlers bestimmen. Diese Faktoren lassen sich unterteilen in:

  • Intrinsische Faktoren, wie einige wenige genetische Merkmale, einige physiologische Mechanismen und einige psychologische Charakteristika
  • Extrinsische Faktoren, wie solche des sozialen Umfelds, der Lebensgewohnheiten, des Trainings und der Umweltbedingungen

Auf der Grundlage dieser Faktoren sollte untersucht werden, ob die afrikanischen Läufer auf den Mittel- und Langstrecken tatsächlich viel stärker sind als die kaukasische Bevölkerung. Nach eingehender Analyse der genannten Faktoren ist man zu dem Schluss gekommen, dass folgende Merkmale die afrikanischen Läufer von den Europäern unterscheiden:(1)

  • Die Praxis des vielen Laufens von Kindheit an,
  • Die unterschiedliche Intensität beim Aushalten der trainingsbedingten Ermüdung,
  • Die Unterschiede in der Trainingsmethode

Laufen in Afrika: Kinder müssen weite Strecken zurücklegen

Bezüglich des 1. Punkts hat man in Deutschland kurz- oder langfristig wahrscheinlich wenig Einfluss auf Veränderung. Studien haben herausgefunden, dass beispielsweise in Kenia aufgrund der Infrastruktur des Landes Kinder schon von klein auf gezwungen sind, sehr weite Schulwege zu Fuß zurückzulegen. Dabei rennen die Kinder teilweise sehr viel.(3)

Es stellt sich wohl die Frage, ob jemand, der von klein auf immer im Auto zur Schule gefahren wird, lange vor dem Fernseher sitzt, sehr wenig körperlich aktiv ist und nicht daran gewöhnt, irgendeine Art körperlicher Ermüdung zu ertragen, noch ein guter Mittelstreckler werden kann, selbst wenn er später angemessen trainiert.

Afrikanische Läufer: Willenskraft und Motivation

Um das letzte aus sich herauszuholen, den Gegner trotz Ermüdung im Duell zu besiegen, bedarf es einem starken Willen. So kennt jeder den Spruch: „Nicht das Herz oder die Lunge, der Kopf ist das limitierende Organ“. Im Training der Afrikaner gibt es gegenüber den Europäern zwei wichtige Konstanten: die Fähigkeit, viele Belastungen mit erhöhter Intensität auszuführen, und die ausgeprägte mentale Einsatzbereitschaft.

Höhentraining in Afrika bei Läufern

Afrikanische Läufer besitzen die Fähigkeit, im Wettkampf höhere Prozente der VO2max zu halten als europäische oder amerikanische Läufer. Außerdem haben die Sportler der afrikanischen Hochebene einen weiteren psychologischen Vorteil aufgrund der mit dem Training in der Höhe in Verbindung gebrachten positiven Aspekte in der Entwicklung der Leistungsfähigkeit.(1)

Hinzu kommen die Möglichkeiten und Chancen, die sich jungen Sportlern durch erfolgreiches Abschneiden bieten und die somit eine große Motivation darstellen können.

Wie trainieren afrikanische Läufer?

In den afrikanischen Ländern wird ein auf die Intensität ausgerichtetes Training, das den Einsatz von Muskelfasern begünstigt, die im Wettkampf höhere energetische Ansprüche erfüllen können, betrieben. Daher ist es möglich, dass die Fähigkeit zum Laufen mit höheren Prozentwerten der VO2max auf physiologischen Anpassungen beruht, die durch das hochintensive Training und die mentale Gewöhnung an das häufige Aushalten solcher Belastungen induziert werden.(1)

Ein Überarbeiten der Trainingsmethoden im europäischen Raum ist mit Sicherheit ein wichtiger, nicht zu vernachlässigender Punkt. Des Weiteren bevorzugen Kenianer und Äthiopier das Gruppentraining. Es spornt dazu an, sich stärker einzusetzen.

Die Gene afrikanischer Läufer

Eher unbeliebt hingegen sind Überlegungen, die mögliche genetisch begründbare höhere Eignungen bezüglich der Ausgangsleistungsfähigkeit oder der Trainierbarkeit in Betracht ziehen. In der aktuellen Bestenliste (30 Bestplazierte) über 10.000 m Männer finden sich 25 Kenianer und 2 Äthiopier und über Marathon 16 Kenianer und 12 Äthiopier.

Diese hohe Stabilität in der Besetzung der Spitzenplätze im Laufbereich mit deutlicher Überlegenheit ist selbst bei unterschiedlichem Rekrutierungsverhalten und unterschiedlichen Umweltbedingungen gegenüber einer kaukasischen Grundgesamtheit in Europa von etwa 300 Millionen Einwohnern ohne genetische Ursachen extrem unwahrscheinlich.(2)

Genetik im Sport: Der optimale Läuferkörper

Hier scheinen die bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse weniger eindeutig. Vom äußeren Aspekt her erscheint der westafrikanisch-karibische Typ muskelkräftiger mit guter Ansprechbarkeit der Muskulatur auf Krafttraining im Sinne einer Muskelhypertrophie.

Der ostafrikanische Typ wirkt hingegen graziler und sehniger. Ob eine unterschiedliche Ansprechbarkeit auf Training besteht, konnte bisher nicht hinreichend geklärt werden. Eventuell scheint die Trainierbarkeit der Kenianer tatsächlich auf der hohen Laufaktivität in der Kindheit zu beruhen.

Fachsprache leicht gemacht

  • Kaukasische Bevölkerung – Europäische Bevölkerung
  • Extrinsische Faktoren – äußere Begebenheiten betreffend, wie zum Beispiel das soziale Umfeld oder Umweltbedingungen
  • Intrinsische Faktoren – Gegenteil von extrinsich, betrifft innere Faktoren wie genetische Begebenheiten oder psychologische Charakteristika
  • VO2max – Maximale Sauerstoffaufnahmefähigkeit eines Menschen
  • Polygenetisch – Polygenie ist die Bezeichnung für die Beeinflussung eines Merkmals durch mehrere Gene

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Quellenangaben

  1. Leistungssport, 2006, Bd. 36 (3), S. 4–12.
  2. Leistungssport, 2010, Bd. 40 (4), S. 51–54.
  3. Journal of Sports Science, 2006, Bd. 24 (4), S. 415–422.
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About Author

Dennis Sandig

Dennis Sandig arbeitete als Sportwissenschaftler am Institut für Sportwissenschaften der Julius-Maximilians Universität in Würzburg. Aktuell ist er bei der Deutschen Triathlon Union als Wissenschaftskoordinator und Referent für Bildung zuständig, sowie für das umfassende Aus- und Fortbildungsprogramm für Coaches im Triathlon.

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