Die Grundlagen des funktionellen Trainings

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Um zu klären, was funktionelles Training ist, muss zunächst der Begriff »Funktion« definiert werden. Grundsätzlich handelt es sich dabei um Sinn und Zweck einer menschlichen Handlung oder um die Aufgabe eines Gegenstands.

Warum funktionelles Training?

Funktionelles Training ist hochaktuell und mittlerweile ein weitverbreiteter Trainingsansatz. Obwohl es keine wissenschaftlichen Erkenntnisse, keine klare Definition und starke Kontroversen bezüglich der Vorgehensweise gibt, ist funktionelles Training doch überall präsent. Dutzende von Büchern wurden geschrieben, keine Fitnesskonferenz kommt um das Thema herum, kein Trainingslager ohne entsprechende Übungen. Was also ist es, das diese Methode so effektiv und beliebt macht?

Die Definition der „Funktion“

„Funktionell“ lässt sich definieren als:

• eine Funktion erfüllend,

• eine Aufgabe einer Person oder einer Sache übernehmend oder

• eine typische Eigenschaft von etwas – eine Aufgabe, ein Nutzen oder Zweck.

Funktionelles Training resultiert also aus den Funktionen und typischen Aktivitäten des menschlichen Körpers. Was also ist Sinn und Zweck der menschlichen Bewegungen?

Kraft statt Dimension

Ein großer Vorteil neuromuskulärer Adaptation ist, dass man stärker wird, ohne Körpermaße oder Gewicht zu verändern. Für Athleten, die Sport nach Gewichtsklassen betreiben, kann das ein entscheidender Vorteil sein. Gewichtsveränderungen sind dabei häufig ungünstig. Die Koordination von Muskeln und Muskelsystemen ermöglicht es dem Körper, Belastungen auf mehrere Muskelsysteme zu verteilen. Diese Arbeitsverteilung reduziert den Stress für einzelne Muskeln, weshalb Muskeladaptation und -wachstum unnötig sind. Mit funktionellem Training schreit kein einziger Muskel, aber der ganze Körper singt. Das ist der Grundgedanke der Athletik.

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Verbesserung der Ausführung

Das wohl aktuell umfassendste Buch zum Thema hat unser Autor Juan Carlos Santana mit seinem Buch:

Functional Training – Das große Handbuch

geschrieben. Ob Kraft-, Ausdauer- oder Leistungssteigerung, sportartspezifische Übungen oder Programmentwicklung – dieses Standardwerk des amerikanischen Elitetrainers Juan Carlos Santana ist eine umfassende Ressource für jeden Athleten, Coach und Trainer. Es enthält die neuesten Erkenntnisse und deckt alle Konzepte, Übungen, Progressionen und spezifischen Sequenzen ab, auf denen ein seriöses funktionelles Trainingsprogramm basiert. Es bietet spezifische Informationen für elf populäre Sportarten und mehr als 135 Übungen mit dem eigenen Körpergewicht, mit Band- und Kabelzugsystemen, Kurzhanteln, Kettlebells, Medizin- und Gymnastikbällen für alle Muskelgruppen des menschlichen Körpers.

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Berücksichtigt man sowohl die Vorteile von funktionellem Training als auch die dahinterstehende Philosophie der Präzision, braucht es nicht viel Fantasie, um sich die Vorteile hinsichtlich der Leistung auszumalen. Funktionelles Training ist zur Unterstützung und Verbesserung jeder Sportart einsetzbar. Die einbeinigen Übungen konzentrieren sich auf die Fortbewegungskompetenzen der hinteren Oberschenkel- und der Gesäßmuskulatur zur Streckung der Hüften und Stabilisierung des Körpers, wodurch sowohl die Laufgeschwindigkeit verbessert wird wie auch die Wendigkeit bei Rasensportarten und schnelle Seitenwechsel bei Rückschlagsportarten. Die Übungen, bei denen es um Niveauänderungen geht, also Springen und Heben, verbessern sowohl das beidbeinige Springen als auch die Körperkompetenz für Gewichtheben. Zug- und Druckübungen verbessern die Leistung hinsichtlich Stoßen, Schlagen, Drücken, Schwimmen und Werfen. Die Rotationsübungen fördern die Schwungkraft, schnelle Richtungswechsel sowie die Rotationsfähigkeit.

Die vier Säulen der menschlichen Bewegung

Die menschlichen Bewegungen lassen sich in vier Kategorien einteilen: Fortbewegung, Niveauänderung, Ziehen/Drücken sowie Rotation. Das sind die vier Säulen der menschlichen Bewegung, ein Modell, das alle grundlegenden Bewegungsabläufe erfasst. Auch die für Sport erforderlichen Kompetenzen lassen sich in diese »Big Four« einteilen:

Fortbewegung

Niveauänderung

Werfen/Fangen

Rotation (Richtungsänderung)

Grundsätzlich lässt sich sagen: Bei jeder Sportart, die erfordert, dass der Mensch auf beiden Füßen steht, bestimmen die »Big Four« die für den Sport notwendigen Fähigkeiten.

Fortbewegung

Fortbewegung ist die erste Säule. Für zweibeinige Lebewesen ist sie die grundlegende Körperkompetenz. Jeder, besonders Laufsportler, sollte deshalb sein Training am natürlichen Gangzyklus des Menschen orientieren. Stabilität im Einbeinstand und Rotationsfähigkeit des Körpers sind die beiden wesentlichen Charakteristika der Fortbewegung. Fortbewegung geschieht mit jeweils einem Bein nach dem andern. Bei dem Prozess erfolgt eine Kraftübertragung vom Boden auf den Körper. Die entsprechende Körperposition wird als 7er-Position bezeichnet. Rotation ist ebenfalls eine weitere wesentliche Komponente der Fortbewegung. Sie koordiniert die Kräfte von Ober- und Unterkörper und steuert Ausrichtung und Balance des Körpers für effizientes Laufen. Fortbewegung ist die erste grundlegende biomotorische Fähigkeit und integriert alle vier Säulen der menschlichen Bewegung. Bei jedem Schritt wird der Massenschwerpunkt sowohl horizontal als auch vertikal bewegt (d. h. Niveauänderung – Säule 2). Fortbewegung beinhaltet kontralaterale Zug- und Druckbewegungen des Oberkörpers (d. h. Zug und Druck – Säule 3), die erforderlich sind, um die Rotationsbewegungen des Unterkörpers zu kompensieren. Die kontralateralen Bewegungen zwischen Ober- und Unterkörper erzeugen die Rotationskomponente einer linearen Fortbewegung (d. h. Rotation – Säule 4), die für eine effiziente Vorwärtsbewegung unerlässlich ist. Aus diesen Interaktionen entstehen die vier Säulen der Bewegung.

Niveauänderung

Die zweite Säule sind Niveauänderungen des Massenschwerpunkts. Darunter versteht man Bewegungen des Rumpfes oder der unteren Extremitäten oder eine Kombination aus beidem, wobei der Massenschwerpunkt nach oben oder unten verlagert wird. Niveauänderungen sind erforderlich für Bewegungen, die nicht der Fortbewegung dienen, sondern dem Bücken, Strecken, Treppensteigen oder Ähnlichem. Im Sport gilt das z. B. für Squats, Ausfallschritte und Kastensteiger, also Beugen und Strecken von Fuß-, Knie- und Hüftgelenken. Die erforderliche Kraft entsteht in der unteren Körperhälfte aus den Mechanismen dieser drei Gelenke.Der Rumpf unterstützt die vertikale Verschiebung des Massenschwerpunkts durch Beugen und Strecken der Wirbelsäule. Meistens sind funktionelle Niveauänderungen eine Kombination aus Flexion des Rumpfes und der unteren Extremitäten (z. B. tiefer Volley beim Tennis, Suplex beim Wrestling oder einfaches Aufstehen nach einem Sturz). Hierbei ist zu beachten, dass für Niveauänderungen nach unten (d. h. die Ganzkörperflexion) die Erdanziehung verantwortlich ist, nicht die Beugemechanismen des Muskelsystems. Die Muskeln kontrollieren lediglich Geschwindigkeit und Grad der Flexion beim Bewegungsablauf. Verletzungen als Folge einer Niveauänderung treten deshalb meist an den hinteren Körperstrukturen auf (z. B. an der Achillessehne, den hinteren Oberschenkelmuskeln und am unteren Rücken).

Drücken / Ziehen

Die dritte Säule steht für Drücken und Ziehen, Bewegungen des Oberkörpers, die den Massenschwerpunkt in der Horizontalen verschieben. Einfach gesagt, »Ziehen« bezeichnet alle Bewegungen, die die Ellbogen oder Hände einwärts oder zum Körper hin bewegen, d. h., durch Ziehen halten wir Dinge oder bewegen sie auf uns zu. Auch die Anfangsbewegung des Werfens gehört dazu. »Drücken« hingegen ist jede Bewegung, die die Ellbogen oder Hände auswärts bzw. vom Körper weg bewegt, also Aktivitäten wie einen Gegner wegstoßen oder sich vom Boden abstoßen nach dem Fallen, außerdem ist es auch die letzte Komponente der Wurfbewegung (wie die Endphase der Beschleunigung oder das Durchziehen eines Tennisschlags). Drücken und Ziehen sind auch Teil des Reflexsystems und der Biomechanik. Die Extremitäten sind neurologisch über Kreuz geschaltet, d. h., wenn ein Körperglied (Arm, Bein) durch einen Reflex gebeugt wird, wird das andere gestreckt. Dieses Phänomen lässt sich bei allen explosionsartig ausgeführten Aktivitäten, wie Werfen, Schwimmen oder Laufen, beobachten. Beim Schlagen oder Werfen z. B. wird der linke Ellbogen angewinkelt, sobald der rechte Arm sich streckt und zum Schlag ausholt bzw. den Gegenstand wirft. Erzeugt man kurze Hebelarme, erhöht sich die Rotationsgeschwindigkeit des Körpers (ein Eiskunstläufer erzeugt bei einer Pirouette ein umso größeres Drehmoment, je enger er die Arme an den Körper anlegt). Beim Laufen lassen sich diese Reflexe und sich ergänzende Hebelarme von Ober- und Unterkörper ebenfalls deutlich erkennen. Wenn der linke Arm sich hinter dem Körper befindet, ist der Ellbogen gebeugt (kurzer Hebelarm), das rechte Bein ist vorne oben und ebenfalls gebeugt (kurzer Hebelarm). Gleichzeitig sind der rechte Arm und das linke Bein, das sich vom Boden abdrückt, weitestgehend gestreckt.

Rotation

Grundlagen funktionellen Trainings

Tabelle 2.1 Core-Muskulatur und ihre Ausrichtung, dorsal   © riva Verlag

Die eben beschriebene neurale Kreuzvernetzung spielt auch bei der vierten Säule der menschlichen Bewegung, der Rotation, eine wichtige Rolle. Sie ist verantwortlich für die Kraft, aus der Richtungsänderungen resultieren. Viele Bewegungen im Sport sind sehr schnell und beanspruchen die diagonale Ebene (d. h. die Ebene, in der Rotation stattfindet). Ein Blick auf das menschliche Muskelsystem zeigt deutlich, wie sehr Bewegungen an Rotation gekoppelt sind. Das Buch Kinesiology, von Gene A. Logan und Wayne C. McKinney (1970), beschreibt hierzu den Sarapen-Effekt.1 Die Autoren erklären ganz hervorragend, warum der Körper die Kreuzvernetzung nutzt, um Rotationskraft bereitzustellen. Um den Sarapen-Effekt direkt zu sehen, stellen Sie sich vor einen Spiegel. Tragen Sie dabei ein dünnes T-Shirt. Machen Sie eine Wurfbewegung, und unterbrechen Sie diese im Moment des Werfens. Sie können auch einfach am Platz marschieren, dann sehen

Grundlagen funktionellen Trainings

Tabelle 2.1 Core-Muskulatur und ihre Ausrichtung, ventral   © riva Verlag

Sie vor dem Spiegel deutlich, wo das Shirt Falten wirft. Man erkennt genau, dass die Muskeln im Core-Bereich beim Werfen und Laufen diagonal arbeiten. Mithilfe eines Anatomiebuchs lässt sich nachlesen, dass fast alle Muskeln im Core-Bereich (d. h. die Muskeln am Rumpf, oberhalb der Sitzbeinhöcker und unterhalb des Sternums) diagonal oder horizontal ausgerichtet sind. Nahezu 90 Prozent der Muskulatur hat hier diese Ausrichtung, und Rotation ist eine ihrer Hauptaufgaben. Tabelle 2.1 liefert einen Überblick über die Muskeln im Core- Bereich und ihre grundsätzliche Ausrichtung.

Die vier wichtigsten Kompetenzen beim Sport

Grundlagen funktionellen Trainings

Tabelle 2.2 Bewegungen und Beispielaktivitäten für die »Big Four«   © riva Verlag

Die vier bekanntesten Bewegungskategorien im Sport – die »Big Four« – sind Fortbewegung, Niveauänderung, Drücken/Ziehen (Werfen, Wegstoßen, Festhalten) und Rotation (Richtungswechsel). Sie sind die Kernkompetenzen nahezu aller Sportarten mit Bodenkontakt und identisch mit den vier Säulen der menschlichen Bewegung. Die vier Säulen beschreiben die biomechanischen Funktionen des Körpers, die auch beim Sport nicht missachtet werden können, deshalb spiegeln sich die »Big Four« in den vier Säulen wider. Bipedische Fortbewegung beschreibt, wie wir von einem Punkt A zu einem Punkt B gelangen. Niveauänderungen sind die Grundlage für Springen, das Aufheben von Objekten, für das Einnehmen bestimmter Positionen beim Sport. Drücken und Ziehen sind ganz natürliche Bewegungen, die wir ständig ausführen. Tabelle 2.2 zeigt die »Big Four«, die Grundbewegungen und die sportspezifischen Aktivitäten, die in die jeweiligen Kategorien fallen. Die »Big Four« beschreiben die Aspekte der vier Säulen der menschlichen Bewegung hinsichtlich sportlicher Aktivitäten. Hierbei kommen viele Muskeln zum Einsatz. Weiter hinten in diesem Kapitel werden sie genauer beschrieben. Diese für den Sport essenziellen Bewegungen mit den vier Säulen in Einklang zu bringen und anhand dessen biomechanische Trainingsmodelle zu entwickeln, ist ein naheliegender Weg, um funktionelle Trainingsprogramme zu gestalten.

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Athletisches Umfeld

Die bisher vorgestellten Bewegungsmodelle spielen sich alle im Umfeld von Leichtathletiksportarten ab. Das Umfeld, in dem eine Sportart ausgeführt wird, wurde bisher wenig berücksichtigt, auch nicht bei der Definition und Optimierung funktionellen Trainings. Die allermeisten Sportarten erfordern festen Boden, dennoch benötigen einige ein anderes physikalisches Umfeld. Beim Schwimmen z. B. wird im Wasser gearbeitet, während beim Turmspringen der Haupteinsatzort die Luft ist. Krafttraining für Sportarten, die nicht überwiegend mit Bodenkontakt ausgeübt werden, findet dennoch an Land statt. Solches Krafttraining wird zwangsläufig mit Bodenkontakt ausgeübt, was als wesentlicher Trainingsfaktor zu berücksichtigen ist. Berücksichtigt man die Faktoren, die ein derartiges Training beeinflussen, kann man die Prinzipien des funktionellen Trainings maximieren.

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