Regeneration: Niemand, wie fit er auch sein mag, ist gefeit vor Erschöpfung. Müde, abgeschlagen, unmotiviert, kaputt – wer kennt dieses Gefühl nicht, wenn der körpereigene Akku wie verrückt blinkt und anzeigt, dass er wieder aufgeladen werden muss? Die Frage ist bloß: wie? Oftmals ist es mit der obligatorischen Mütze voll Schlaf nicht getan, zumal sich die wenigsten von uns ausreichend Zeit dafür nehmen (können).
Regeneration: Tools und Strategien
Wenn Sie Ihren Akku schnell wieder aufladen wollen beziehungsweise erst gar nicht in die Verlegenheit kommen möchten, mit »Notstrom« – sprich: am Rande der Erschöpfung – zu arbeiten und zu leben, können Ihnen spezielle Regenerationstools und -strategien helfen.
Wissenschaftlich fundierte und in der Praxis erprobte Erholungsmaßnahmen geben Ihrem Körper und Geist neue Energie und schützen Sie vor Energieräubern. Da jedoch jeder von uns unterschiedlich auf Stress und Überlastung reagiert, ist es wichtig für Sie zu wissen und in Grundzügen zu verstehen, wie Sie ticken, wie sich verschiedene Regenerationsstrategien tatsächlich auf Ihr Immunsystem, Herz-Kreislauf-System und Ihre geistige wie körperliche Leistungsfähigkeit auswirken.
Während dem einen beispielsweise Sport zum Stressabbau hilft, verschiebt sich für den anderen durch die körperliche Aktivität der eigene Erholungsprozess nach hinten.
Wann beginnt die Regenerationsphase
Sobald wir unsere Arbeit und unser Training beendet haben, beginnt die Regenerationsphase. Vor allem aber findet die Regeneration im Schlaf statt. Leider haben viele Menschen nach wie vor nicht verstanden, dass wir nicht in der Trainingsphase besser werden, sondern in der sich darauf anschließenden Erholungsphase.
Dieses Prinzip der Anpassung in die Erholungsphase nennt man Superkompensation. Wenn wir dem Körper nicht genug Zeit für die Wiederherstellung und die Reparatur geben, kann es leicht passieren, dass wir keine Steigerung der Leistungsfähigkeit erzielen und uns sogar in eine leistungsmäßige Abwärtsspirale begeben, an deren Ende chronische Erschöpfung, Burnout und Verletzungen stehen.
Welche Hormone spielen beim Schlafen eine Rolle?
Auch wenn es so aussieht, als würden wir nachts ruhen – in unserem Körper geht die Post ab! Neben dem einschlaffördernden Hormon Melatonin werden noch eine Reihe anderer Hormone während unseres Schlafs ausgeschüttet. Dazu gehört Somatotropin, das auch als Wachstumshormon bezeichnet wird. Es wird in der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) produziert.
Die Konzentration des Somatotropins steigt nach dem Einschlafen an und erreicht ihren Höhepunkt in den Tiefschlafphasen. Der Tiefschlaf hat also eine besondere Bedeutung für uns Menschen – vor allem aber für Sportler und Kinder. Das Somatotropin ist nicht nur für das Längenwachstum verantwortlich, sondern auch für andere Stoffwechselfunktionen. So wirkt es sich als anabol wirkendes Hormon unter anderem positiv auf den Muskelaufbau aus.
Dies kann unter bestimmten Umständen, beispielsweise durch regelmäßiges Training und ausgewogene Ernährung, in einer »Vergrößerung« der Muskelmasse und Stärkung der Muskelfasern resultieren. Leider wird Somatotropin aufgrund seiner positiven Effekte auf den Muskelaufbau zunehmend als Dopingmittel verwendet.
Regeneration: Qualitativ guter Schlaf ist das A und O
Ausreichender und qualitativ guter Schlaf ist das A und O für die Zellregeneration in unserem ganzen Körper. Unzureichender Schlaf führt dagegen zu einer verminderten Ausschüttung regenerationsfördernder Hormone, was wiederum die Folge hat, dass unser Körper am Folgetag nicht maximal leistungsfähig ist.
Weiterhin haben Wissenschaftler herausgefunden, dass Schlaf ebenfalls einen Einfluss auf unser Gehirn und den Hirnstoffwechsel hat. Das sogenannte glymphatische System stellt – ganz vereinfacht ausgedrückt – ein Ausleitungssystem dar, das unter anderem von speziellen Zellen im zentralen Nervensystem gebildet wird. Dieses System ist hauptsächlich im Schlaf aktiv und sorgt dafür, dass die im Laufe des Tages angesammelten Zwischenprodukte aus unserem Gehirn abgeleitet und letztendlich dem Lymphsystem zugeführt werden.
Der Einfluss von Schlaf auf unser Immunsystem
Dies kann von besonderer Bedeutung in Bezug auf neurodegenerative Erkrankungen wie zum Beispiel Alzheimer sein. Schlaf ist jedoch nicht nur für die Funktionstüchtigkeit unseres Gehirns von entscheidender Bedeutung, sondern auch für das Immunsystem. Schlafmangel geht häufig mit einer Immunschwäche einher. Diese erhöht die Anfälligkeit für Infekte. Sind wir erst einmal erkrankt, zeigt sich häufig ein gesteigertes Schlafbedürfnis. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass unser Körper mit allen Mitteln versucht, die Krankheitserreger im Organismus unschädlich zu machen.
Weiterhin hat Schlaf auch einen Einfluss auf das sogenannte Immungedächtnis. Studien haben gezeigt, dass Impfungen mit anschließendem kurzzeitigem Schlafentzug einen schlechteren Impfeffekt erzielen. Was in diesem Zusammenhang spannend ist: Selbst ein Jahr nach der Impfung war die Menge der Antikörper im Blut von »ausgeschlafenen« Versuchspersonen deutlich höher als bei »unausgeschlafenen« Probanden.
Des Weiteren sind Schlaf und psychisches Wohlbefinden eng miteinander verknüpft. Sind wir unausgeschlafen, reagieren wir schnell gereizt und können uns schlechter konzentrieren. Auch unsere Psyche kann langfristig darunter leiden. Schlafstörungen gehen häufig mit psychischen Erkrankungen wie Depressionen einher.
Training + Erholung = Erfolg / verbesserte Leistung
Regeneration ist also die Summe aller Prozesse, die im Körper im Anschluss an eine Belastung ablaufen. Dazu gehören aktive und passive Prozesse. Das gemeinsame Ziel ist die Wiederherstellung des physiologischen Gleichgewichts – der sogenannten Homöostase – und im Anschluss an einen Trainingsreiz der Leistungszuwachs, der in der Wissenschaft als Superkompensation bezeichnet wird. Zu diesen Vorgängen im Organismus gehören:
- Wiederauffüllen der Energiespeicher mit Glykogen
- Wiederauffüllen der verlorenen Mineralstoffe und des Körperwassers
- Regulation des pH-Werts
- Regulation der Körpertemperatur
- Entzündungsregulation
- Ausschüttung an Sexualhormonen und Wachstumshormonen, um nicht nur auf das Ausgangsniveau der Leistung zurückzukehren, sondern sogar mit der Zeit besser oder robuster zu werden
- Psychische beziehungsweise mentale Erholung
- Motorische und kognitive Verbesserungen
Regeneration: Die physische Erholung im Unterschied zur psychischen oder mentalen Erholung
Prinzipiell unterscheiden wir die physische Erholung von der psychischen oder mentalen Erholung. Denn die Ermüdung, die nach langen oder intensiven Phasen von körperlicher Arbeit und Training entsteht, unterscheidet sich deutlich von der Ermüdung nach psychischen Belastungen oder Kopfarbeit. Durch Training wollen wir besser werden, ganz egal, ob wir Tennis spielen, laufen oder Gewichte stemmen.
Um besser zu werden, müssen wir einen »überschwelligen« Reiz setzen und unseren Organismus bewusst stressen. Dieser Stress bewirkt, dass unsere Homöostase aus der Balance gerät. Unter Homöostase wird die Aufrechterhaltung eines stabilen biochemischen Zustands im Körper verstanden. Um diese Stabilität wieder zu erlangen, versucht der Organismus, sich den veränderten Bedingungen anzupassen.
Denn unser Organismus ist seit den Zeiten, in denen unsere Vorfahren Jagd auf Mammuts machten, darauf ausgelegt, solch einen Reiz eigentlich kein zweites Mal erleben zu wollen. Er wappnet sich sozusagen, indem er beispielsweise die Glykogenspeicher in den Muskeln vergrößert, um mehr Energie bereitstellen zu können, indem er die Muskelstränge vermehrt, um mehr Gewichte stemmen zu können, oder indem er die Motorik von Schulter, Arm und Hand verbessert, um den Tennisball präziser zurückschlagen zu können.
Setzt der Athlet durch eine intensive oder lange Einheit einen Reiz, greift er den Organismus an und zerstört meist auch Substanz wie beispielsweise Muskulatur und Gewebe. Dieser Akt der Zerstörung ist gezielt und gewollt, mit dem Bewusstsein, dass der Körper sich selbst repariert und danach leistungsfähiger ist, indem er dann beispielsweise über stärkere Muskelfasern verfügt. Bringen wir den Körper durch Training und Belastung dagegen nicht aus seinem natürlichen Gleichgewicht, können wir ihn auch nicht stärken.
Erhöhtes Krankheitsrisiko durch fehlende Regeneration und zu wenig Schlaf
Fehlende Regeneration und zu wenig Schlaf machen Sie nicht nur nervös und weniger leistungsfähig, sondern haben auch langfristige Auswirkungen auf Ihre Gesundheit. Statistiken zeigen, dass sich das Risiko für folgende Krankheiten dramatisch erhöhen kann:
- Diabetes
- Herzkrankheit
- Depression
- Hormonelle Störungen
- Krebs
Eine optimierte Regenerationsstrategie beschleunigt die Erholung, der Körper kann den gesetzten Trainingsreiz besser verarbeiten und der Athlet ist nicht so lange müde und angegriffen.
Individuelle Regenerationsmaßnahmen nutzen
Clevere Regenerationsmaßnahmen direkt im Anschluss an die Belastung durch Training und Wettkämpfe helfen, die Gefahr eines Infekts zu minimieren. Warum? Sport ist doch gesund und macht fitter? Sport stärkt zwar generell die Abwehrkräfte, direkt nach der Belastung gibt es allerdings eine Phase – genannt Open Window –, in der der Körper besonders anfällig gegenüber Eindringlingen ist. Aber eben dieses Fenster lässt sich mit Erholungsmaßnahmen wie zum Beispiel Flüssigkeits- und Energieaufnahme schneller schließen.
So kommt gerade der Ernährung nach der Belastung eine ganz entscheidende Bedeutung in puncto Trainingsfortschritt und Leistungsverbesserungen zu. Denn die Ernährung kann den Metabolismus und den Hormonstatus beeinflussen. Je qualitativ hochwertiger unser Regenerationsprozess ist, desto schneller und gesünder verläuft dieser Anpassungsprozess.
Allerdings muss uns auch bewusst sein, dass der primäre Trainingsreiz oftmals durch äußere Einflüsse wie Wärme, Kälte, Sonnenexposition oder Höhe sowie durch »innere« Einflüsse, die aus unserem sozialen Umfeld herrühren, verstärkt wird. All das summiert sich dann zu einer Last (Load), mit der unser Organismus fertig werden muss. Aus diesem Grund ist es wichtig zu verstehen, dass bei zwei gleich gut trainierten, leistungsgleichen Athleten oder Personen dasselbe Training beziehungsweise derselbe Stress einen ganz unterschiedlichen Effekt hat und vom Organismus anders »verdaut« wird.
Regeneration: Stress im Job
Daher wirken Regenerationsmaßnahmen individuell immer sehr unterschiedlich. Wer beispielsweise Stress im Job oder im privaten Umfeld hat, wird die durch die Anspannung hervorgerufenen Muskelverspannungen und Schmerzen im Nacken und Rücken kennen. Selbst diese für viele von uns als alltäglich wahrgenommenen kleinen Wehwehchen schwächen unsere Leistungsfähigkeit. Jedes Unwohlsein raubt uns Energie, da der Organismus damit beschäftigt ist, dagegen anzukämpfen. So unterschiedlich die Regenerationsmethoden auch sein mögen, ihre Ziele sind alle gleich. Der Mensch soll nach erfolgter Erholung Folgendes verspüren:
- Mehr Energie
- Weniger Muskelverspannungen und Gelenkschmerzen
- Gestärktes Immunsystem • Größere geistige Klarheit
- Mehr Ausgeglichenheit • Größere Kreativität
- Mehr Kapazitäten
- Höhere Arbeitszufriedenheit
Autoren: Dr. Lutz Graumann, Dr. Utz Niklas Walter, Dr. Fabian Krapf
Unser Tipp aus der Redaktion
REGENERATION: Jeden Tag erholt, ausgeschlafen und erfolgreich
Wie uns eine optimierte Regeneration dabei hilft, körperlich und geistig leistungsfähiger zu werden, zeigen der Sportmediziner Dr. Lutz Graumann und die Schlafexperten Dr. Utz Niklas Walter und Dr. Fabian Krapf. Basierend auf aktuellen Forschungsergebnissen und langjähriger Erfahrung aus dem Spitzensport stellen sie die effizientesten Regenerationsstrategien für Körper und Geist vor – von Kälteanwendungen über Entspannungstechniken bis hin zu einfachen Biohacks.
Die Autoren geben Hintergrundinfos zur menschlichen Physiologie und erläutern, wie Ernährung, Schlaf, Chronobiologie und Lebensgewohnheiten unsere Regeneration beeinflussen und wie wir diese verbessern können. Anhand von Selbsttests können Sie individuelle Maßnahmen erarbeiten, mit denen Sie dauerhaft ausgeglichen, motiviert und gesund bleiben.