Erholung nach dem Training, Belastung und Regeneration. Vom umsichtigen Umgang mit Belastungen und Stress im Sport zwischen Superkompensation und Übertraining. Denn: „Allein die Menge macht das Gift“!
Wie wichtig ist die Erholung nach dem Training?
Der legendäre Arzt, Alchemist, Astrologe und Philosoph Paracelsus (1493–1541) prägte schon in seiner Zeit einen überaus scharfsinnigen Grundsatz, der heute durchaus noch Gültigkeit besitzt: „Alle Dinge sind Gift, nichts ist ohne Gift“. „Allein die Menge macht das Gift“ („Dosis sola venenum facit“).
Dieser Grundsatz bewahrheitet sich in vielen Lebensbereichen immer wieder und ist auch für Leistungssportler in verschiedener Hinsicht durchaus relevant. Zum Beispiel im Hinblick auf die kontinuierliche Leistungsentwicklung beziehungsweise die davon nicht zu trennende Thematik der Belastung und Erholung.
Was bedeutet Superkompensation?
Die Sport- und Trainingswissenschaft verwendet das „Prinzip der Superkompensation“ als Modell zur Beschreibung und Erklärung der Leistungssteigerung. Demzufolge ist der Organismus nach Trainingsbelastungen prinzipiell in der Lage, das durch die Belastungsreize gesunkene Leistungsniveau nicht nur wieder auf das Ausgangsniveau zurückzubringen („Kompensation“). Er kann in der Erholungsphase nach dem Training das Leistungsniveau sogar über das ursprüngliche Maß hinaus steigern („Superkompensation“) und dieses erhöhte Leistungsniveau für gewisse Zeit aufrechterhalten.
Wenn man diese Phase der Superkompensation nun geschickt nutzt, erzielt man langfristig betrachtet eine dauerhafte Leistungssteigerung, natürlich innerhalb der individuellen Möglichkeiten und Grenzen. Dass das Modell der Superkompensation aus verschiedenen Gründen kritisiert werden kann, soll an dieser Stelle nicht weiter erörtert werden. Vielmehr soll hier ein Aspekt hervorgehoben werden, der für den Superkompensationsmechanismus von großer Bedeutung ist, nämlich die Bedeutung von Belastung und Erholung.
Das Trainingsprinzip der optimalen Relation zwischen Belastung und Erholung nach dem Training
In der Sport- und Trainingswissenschaft spricht man in diesem Zusammenhang auch vom „Trainingsprinzip der optimalen Relation zwischen Belastung und Erholung“. Es besagt vereinfacht gesprochen, dass weder Belastung noch Erholung allein für die Leistungssteigerung entscheidend sind. Denn Trainingsbelastung und Regeneration stellen eine unzertrennbare Einheit dar. Sie sind eben wie die zwei Seiten einer Medaille.
Auf die richtige Dosis, die Balance zwischen beiden kommt es an. Diese Balance ist eines der Geheimnisse für die sportliche Leistungsentwicklung und damit für den Erfolg. Ist die Regenerationsphase zwischen den Belastungsphasen zu lang, so stagniert das Leistungsniveau irgendwann. Ein erzielter Trainingseffekt wird unter Umständen sogar wieder eingebüßt.
Was bedeutet Übertraining?
Noch problematischer dagegen könnte der entgegen gesetzte Fall sein, nämlich dass zu viel und/oder zu intensiv trainiert wird. Die Regeneration reicht dann in quantitativer und/oder in qualitativer Hinsicht nicht aus, damit sich der Organismus (Körper, Geist und Seele!) von den Trainingsstrapazen erholen kann. Besteht ein solches Missverhältnis zwischen Belastung und Regeneration über einen gewissen Zeitraum, droht irgendwann die Gefahr des sogenannten „Übertrainingssyndroms“.
Sportmedizinisch betrachtet handelt es sich dabei um ein komplexes und noch nicht einheitlich geklärtes Phänomen im Sinne einer chronischen Überlastungsreaktion. Dabei erleidet der Sportler nicht nur eine (deutliche) Abnahme seiner Leistungsfähigkeit.(Leistungsauswirkungen von Übertraining) Unter Umständen erfährt er verschiedene negative Begleitsymptome. Auf körperlicher Ebene könnten das beispielsweise Kopfschmerzen, erhöhter Ruhe- und Belastungspuls, verstärkte Infektanfälligkeit, aber auch Schmerzen und Probleme im Muskel- und Sehnenapparat u. a. m. sein.
Das Übertrainingssyndrom
Manchmal geht das „Übertrainingssyndrom“ aber auch mit kognitiven und psychischen Leistungseinbußen und Problemen einher. So sind hier zum Beispiel Gereiztheit und mangelnde Trainingsmotivation zu nennen. In stark ausgeprägten Fällen besteht schließlich die Gefahr einer starken seelischen Belastung und Krise. Man erkennt teilweise Ähnlichkeiten zum so genannten „Burnout-Syndrom“, das zurzeit zu einem der gesellschaftlichen Hauptthemen zählt, und gerade auch im Bereich des Leistungssports immer häufiger ins Blickfeld gerät.
Beim „Burnout-Syndrom“ handelt es sich vereinfacht gesprochen um einen ausgeprägten Erschöpfungszustand mit reduzierter Leistungsfähigkeit (zumeist aufgrund beruflicher Überlastung).
Umsichtiger Umgang mit Belastungen und Stress im Sport
Sportler und Trainer, die sich sowohl der Bedeutung von Belastung und Erholung und ihrer untrennbaren Verquickung bewusst sind, als auch in der Lage sind, dieses in den Trainingsplänen und Trainingsperiodisierungen adäquat zu berücksichtigen, haben schon eine wichtige Voraussetzung für eine gesunde und kontinuierliche Leistungsentwicklung geschaffen. Eine Gefahr besteht jedoch darin, die Übertrainingsproblematik nur in Bezug auf Sport, Training und Wettkampf zu beziehen.
Ganz entscheidend für die Entstehung eines „Übertrainingssyndroms“ mit seinen vielfältigen negativen Begleiterscheinungen können nämlich gerade auch die zahlreichen Belastungen und Stressfaktoren des Alltags außerhalb des Sports sein! Ein Sportler muss immer auch seine außersportlichen Stressoren kennen und in seiner Trainingsplanung berücksichtigen.
Erholung nach dem Training: Work-Life-Balance
Wie gut bekommt der Sportler die Stressbelastungen, die beispielsweise durch Beruf, Schule/Studium, Familie/Beziehung entstehen, und sein sportliches Engagement unter einen Hut? Wie gut ist seine Work-Life-Balance? Selbst wenn durch gute Trainingsplanung ausreichend Erholungsphasen gegeben sein sollten, kann die Erholung in ihrer Qualität durch außersportliche Stressoren so empfindlich gestört werden, dass sie ihre eigentliche Wirkung nicht richtig entfalten kann!
Um die optimale Relation von Belastung und Erholung als Basis kontinuierlicher und gesunder Leistungsentwicklung herstellen zu können, sollte der Blick von Sportlern, Trainern und der Sportpsychologie also über den Tellerrand des Sports hinausgehen. Im Sinne einer guten Work-Life-Balance sollten Privat- und Berufsleben in die Planung von Training und Regeneration ausreichend einbezogen werden. Finden Sie die „richtige Dosis“ für Ihr Leben!
Jörg Schönenberg
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